Morgen, am Palmsonntag werde ich wieder beginnen auf diesem Blog Fragen zu stellen, sie werden sich auf das nächste christliche Fest beziehen, nämlich auf Ostern. (Wer Weihnachten nicht dabei war, kann die Fragen und Beiträge nachlesen, einfach auf das Label „Weihnachten“ klicken.) Die Weihnachtsfragen waren Nachtfragen, ich habe sie am Nachmittag gestellt, wir konnten sie der Nacht anbieten und am Morgen eine Gabe entgegennehmen.
Dieses Mal werden es Tagesfragen sein, die sich auf das Bewusstsein richten, Wachheit und Klarheit werden angesprochen. Ich werde die Fragen jeden Morgen in der Frühe stellen. Da sich Weihnachten und Ostern spiegeln, so wie Geburt und Tod, stehen sich auch Nacht und Tag gegenüber. Diese Polarität wird sich auch in den Fragen ausdrücken.
Nicht eine Geburt, nein, Tod und Auferstehung stehen an. Das sind heftige Themen, die sich nur ertragen lassen, weil es draußen Frühling ist. Die Natur zeigt sich von ihrer starken Seite. Nach dem kahlen, finsteren, trockenen Winter, sprosst, grünt und blüht es überall – und jedes Jahr ist das aufs Neue ein Wunder. Die Natur zeigt sich von einer prächtigen Seite, Tag für Tag wird es wärmer und einladender draußen zu sein – nach dem kalten, dunklen Winter.
Wer in den letzten Wochen ein wenig darauf geachtet hat, konnte sehen, wie sich die Keimblätter plötzlich Tag für Tag mehr gezeigt haben, welche Kraft geschlummert hat und sich nun sanft, zart und unerbittlich einen Platz im Licht sucht und sich so unseren Augen präsentiert. Die Kräfte haben im Tod geschlummert – nichts als altes und kahles Gestrüpp war mehr zu sehen – um jetzt wieder aufzustehen, neu zu werden, sich von ihrer lebendigen Seite zu zeigen und in die Blütenbildung überzugehen.
Schon Goethe hat diesen unglaublichen Kreislauf beobachtet, in seinen Studien: Die "Metamorphose der Pflanze" beschreibt er das. Er kommt zu dem Schluss, „Alle Gestalten sind ähnlich, und keine gleichet der andern; Und so deutet das Chor auf ein geheimes Gesetz…“ Und dies Gesetz gilt nicht nur für die Metamorphose der Pflanze, sondern auch für uns Menschen (sowie das Tierreich). Wenn Jesus nach der Wintersonnenwende in der dunklen Zeit geboren wird, liegt die Welt in tiefem Schlummer. Wenn die Natur erwacht und sich dem Licht und der Wärme hingibt, muss Jesus sterben, vom Licht in die Dunkelheit gehen.
Das Licht des Frühlings bringt aber auch seine Schatten mit. Nicht jeder von uns kann dem Erwachen einfach, hingebungs- und vertrauensvoll folgen. Ganz im Gegenteil. Viele Menschen fühlen sich abgeschnitten davon, erleben innerlich die Gegenseite. Gefühle des Getrenntseins, der Verschlossenheit und der Ausgrenzung werden groß. Schmerzen nehmen den Raum ein. T. S. Eliot hat das in seinem Gedicht „The Wast Land“ heftig zum Ausdruck gebracht, hier die ersten Zeilen:
APRIL is the cruellest month, breeding
Lilacs out of the dead land, mixing
Memory and desire, stirring
Dull roots with spring rain.
Winter kept us warm, covering
Earth in forgetful snow, feeding
A little life with dried tubers.
Wir haben die Möglichkeit dem inneren Sterben und der inneren Auferstehung zu folgen, uns den unerhörten Licht- und Schattenbegebenheiten zu nähern. Seelisch und geistig mitzugehen, zu spüren, zu ahnen – in das große Ganze einzutauchen und als Mensch irgendwie mitzumachen. Ich möchte euch und Sie einladen, meinen Fragen zu folgen und über Kommentare wieder aktiv zu werden. Ich freue mich über Antworten, Gegenfragen, Erzählungen, Zitate, Träume, Gedichte, Hinweise, Erinnerungen…
In diesem Sinne, euch und Ihnen allen eine intensive und frohe Osterzeit!
Sophie Pannitschka
Lyrik
das Nichtwort
ausgespannt
zwischen
Wort und Wort
Hilde Domin
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Wort und Wort
Hilde Domin
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