Samstag, 29. Oktober 2011

Orte verlassen und Sternen folgen. Über bestimmende Wege

Vor über zwanzig Jahren haben wir uns kennengelernt. Wir hatten damals beide zwei kleine Kinder. Wir standen vor dem Bergladen, als wir das erste Mal miteinander sprachen. Aus dieser Begegnung erwuchs eine Freundschaft, die in den Jahren, in denen ich noch vor Ort war, intensiv gepflegt wurde. Wir haben gemeinsam gelacht, gefeiert, gelesen. Nun bin ich schon lange weit weg und wir haben einander viele Jahre kaum wahrgenommen. Aber in diesem Sommer hat sich das geändert. Wir sind uns wieder begegnet.

Zwei Mal in meinem Leben hast du mir entscheidende Türen geöffnet, wofür ich dir noch heute sehr-sehr-sehr dankbar bin, denn sie haben meinem Leben eine Richtung gegeben.

Damals, als wir uns kennen lernten, waren wir einmal mit den Kindern im Freibad. Du erzähltest auf der Wiese sitzend, dass du am Abend in den Vorstand unseres Kindergartens gewählt würdest, und dass ihr noch Mitarbeiter suchen würdet. Und da ich freie Kräfte in mir spürte und dir vertraute, bot ich mich an. So begannen wir gemeinsam zu arbeiten. Ich entdeckte in mir eine Seite, die mir vorher verborgen war: Den Blick auf das Große und Ganze und gleichzeitig auf die kleinen irdischen Schritte im Detail. Vorstandstätigkeiten und Geschäftsführung waren viele Jahre auf beruflicher Ebene für mich bestimmend.

Ein wichtiges Thema zwischen uns waren auch immer Bücher. Wer hat was geschrieben, wie formuliert, welche neuen Inhalte gibt es zu durchstöbern, wie lässt sich das Leben verstehen? Als du mir einmal deine neuen Errungenschaften vorstelltest, hast du mir auch Lievegoeds letztes Buch gezeigt. „Über die Rettung der Seele“. Aber du meintest, dass das wohl eher nichts für mich sei. In dieser Annahme hast du dich damals getäuscht. Dem Manichäismus und daraus hervorgehend der Elias-Initiativgemeinschaft sowie Adventura und den begleitenden Taube-Gruppen habe ich mein Leben gewidmet – als wir schon lange nicht mehr am gleichen Ort lebten.

Jeder folgt den Sternen und Signalen in seinem Leben. Du hast einen ganz anderen Weg eingeschlagen als ich, deinen Weg. Insgesamt hast du elf Kinder geboren. Drei haben sich kurz vor der Geburt im Mutterleib verabschiedet und du musstest sie gehen lassen. Eins hat nur wenige Tage gelebt und ist dann in die geistige Welt zurück gekehrt. Sieben Kinder hast du, zwischen acht und sechsundzwanzig Jahren. Was für ein reiches Familienleben – du bist Mutter so vieler wunderbarer Kinder!

Aber es geht dir nicht gut. Der Familienalltag ist dir zu eng geworden. Du hast begonnen zu arbeiten, dich mit Menschen zu treffen, gehst regelmäßig tanzen. Und nun wirst du reisen, weit weg. Für drei Monate. Du suchst die Freude im Leben. Möchtest surfen lernen, die Sonne und den Strand genießen – du brauchst eine Zäsur, willst fremde Eindrücke, musst dich neu sortieren. Dünn bist du geworden – du hast sehr abgenommen in den letzten Jahren. Du kamst mir mit deinen 50 Jahren fast wie ein junges Mädchen entgegen.

Ich frage mich: Wohin führt dich dein Weg? Was sind dir deine Kinder? Jedes einzelne, in seiner Art und Weise? Und deine Familie? All die vielen gemeinsamen Jahre? Und was bedeutet dir dein Zuhause, dein Ort, an dem du lebst? Wohin willst du, was fehlt dir, was brauchst du? In Schicksalsfragen ist es nicht leicht, den Blick auf das große Ganze zu haben – da schieben sich oft kleine Ereignisse in den Vordergrund.

Drei Monate sind lang. Ich weiß, was es heißt, dem eigenen Stern im Leben zu folgen. Das ist nicht immer leicht, nein, es ist sogar oft verdammt schwer. Auf den Zuspruch des sozialen Netzwerks kann man gerade in diesen delikaten Momenten nicht unbedingt rechnen. Und auch ich zögere. Ich habe es schwer damit, was du vor hast – das habe ich dir auch gesagt. Aber ich will mir kein Urteil bilden, dazu habe ich kein Recht und keine Übersicht.

Ich vertraue darauf, dass es richtig ist, was du tust. Dass du den Abstand brauchst, das sehe ich. Aber was daraus folgt, das weiß ich nicht. Ich wünsche dir von ganzem Herzen eine gute Reise und hoffe für dich, dass sich neue Türen auftun, damit die vorhandenen Werke vervollkommnet werden können. Ich wünsche dir, dass du glücklich bist und dass die liebevollen Verbindungen von Herz zu Herz auch über weite Strecken erhalten bleiben. Du hast hier etwas aufgebaut – es gibt Menschen, die dich zurück erwarten, du hast einen Platz in deinem Schicksalsnetzwerk.

1 Kommentar:

  1. Liebe Freundin von Sophie,

    Ich kenne dich nicht aber Sophie’s Geschichte hat mich berührt. Sternen folgen, ist das nicht das wichstigste im Leben ? Manchmal denkt man dass, was dahinter steht nicht mehr erreichbar ist, doch das streben «muss» man nie weglassen sonnst sagt man nein zu sich selbst. Du gehst auf Reise, ich habe viel gereist. Für mich waren Orten wichtig und dann Menschen. Es war meine Art mich selber kennen zu lernen. Die Orten waren Wegweiser und es hat das Menschenfinden möglich gemacht. Die Geschichte «Der Alchimist» von Coelho ist eine andere Möglichkeit : die Sterne folgen bis sie zurück am Anfangspunkt zurück ist um dort ein Schatz zu erfinden.

    Suchen ist das Ziel. Man kann viele Umwege machen, es ist nie falsch. Auf dem Weg ist alles möglich sogar «nur» der Blickwinkel andern. Nichts ist zu klein um es zu beobachten und nichts ist zu gross um es mit zu nehmen. Das Herz ist eine Reisetasche die sich ohne Ende vergrössert und immer leichter wird.

    Eine schöne Reise wünsche ich dir, liebe Freundin von Sophie.

    Josiane

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