Samstag, 26. Februar 2011

Lebenslinien und Eisenbahnnetze. Die Zugfahrt des Lebens

Manche Züge fahren einen langen, weiten Weg. Durchgehend von Süd- nach Norddeutschland, von Brüssel nach Moskau, von Paris nach Wien. Sie beginnen ihre Strecke zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort. Manche Züge fahren durch, man muss noch nicht einmal umsteigen. Aber das ist natürlich nicht immer so. Öfters mal muss man an bestimmten Orten eine Aufenthaltszeit überbrücken. Man muss umsteigen – wenn man ein bestimmtes Ziel erreichen will. Aber es gibt auch Züge, die lange, lange Strecken hinter sich bringen, und in denen man einfach sitzen bleiben kann.

Das Bild der langen Zugfahrt ist eine Metapher für den Lebensweg. Wir wissen, wann und wo wir eingestiegen sind – in dieses Leben. Jedenfalls wurde uns das erzählt. Und wir haben einen Zettel, auf dem das vermerkt ist. Aber wir wissen weder, wo wir aussteigen – ich meine, endgültig aussteigen – noch, wo wir uns befinden. Ich meine, wie viel unseres Lebensweges wir schon hinter uns haben, und wie viel noch vor uns liegt. Ganz zu schweigen vom endgültigen Zielbahnhof. Wir befinden uns auf der langen Fahrt durch unser Leben – und wissen noch nicht, wann und wo und wie es endet. Möglicherweise kommen wir noch an unbekannten Landstrichen vorbei, von denen wir noch nichts ahnen.

Auf manchen Abschnitten der Reise sitzen wir allein im Abteil. Wir schlafen, dösen oder träumen vor uns hin. Immer wieder einmal läuft ein Mitreisender an uns vorbei, mal in die eine Richtung, mal in die andere. Manchmal kennen wir einander dann nur vom sehen. Dann kommt der Schaffner. Wenn er aufmerksam ist, besteht er nicht darauf, unser Ticket öfters sehen zu wollen. Hin und wieder wird allerdings ein Personalwechsel durchgeführt, dann müssen wir uns wieder aufs Neue ausweisen und belegen, dass wir auf dieser Strecke wirklich mitfahren dürfen.

Manchmal ist der Zug voll. Ein lärmender Kegelclub reist mit. Oder eine Schulklasse. Oder, oder, oder. Aber auch wir reisen nicht immer allein. Manchmal treffen wir jemanden, den wir kennen und reisen ein Stück gemeinsam. Oder wir lernen jemanden kennen. Oder beobachten jemanden. Oder stellen fest, dass jemand offensichtlich das gleiche Ziel hat. Manchmal ist der Zug knackvoll – jeder Sitz belegt und das Gepäck stapelt sich auch noch im Gang. Hie und da müssen sogar Mitreisende stehen – egal bei welcher Geschwindigkeit. Oft wissen wir von ihnen nicht, wo sie eingestiegen sind – und wohin sie wollen.

Manchmal ist der Zug aber auch nur mäßig besetzt. Wir schauen uns um und betrachten die Menschen, die mitreisen. Sehen dort jemanden, der in einem Buch liest, dort jemanden, der sich unterhält, aus dem Fenster schaut, schläft, oder sich ebenfalls umschaut. Mitreisende können jegliches Alter haben, schon ganz kleine Säuglinge reisen mit dem Zug – und auch noch alte Menschen, mit einem Gehstock versehen, oder einem Helfer an der Seite. Junge, Alte, Männer, Frauen, Kinder. Jegliche Nationalität kann vertreten sein – und so bemühen sich auch die Schaffner sogar auf Englisch das nächste Ziel durchzugeben, damit wir es alle verstehen…

Züge fahren jeden Tag – so wie wir jeden Tag leben. Und sie fahren zu jeder Tageszeit - auch nachts. Aber natürlich auch zu jeder Jahreszeit. Es gibt kurze und lange Züge, schnelle und langsame. Manchmal wechseln sie unterwegs sogar die Richtung. Sie können Landesgrenzen überqueren, über Brücken und durch Tunnel fahren. Deutschland ist von einem mächtigen Streckennetz durchzogen, das uns zu jeglichem Ort bringt, an den wir wollen. Lebenswege sind vielseitig.

Mit dem Lokführer haben wir als Mitreisender nichts zu tun. Von ihm lassen wir uns fahren. Ihm vertrauen wir. Das müssen wir wohl. Auch, wenn er manchmal auf offenem Feld anhält. Wenn er langsam fährt oder durch die Landschaft rast. Manchmal hören wir den Zugchef etwas sagen, durch die Lautsprecheransage. Er gibt dann etwas bekannt, was die Reise betrifft. Wir als Reisende können ihm aber nur zuhören. In direktem Kontakt stehen wir nicht.

Auf meiner Zugfahrt ist es heute ein wenig grau und nass. Gut ist, dass geheizt wird, und dass das Bordbistro mit allerlei Leckerbissen gefüllt ist. Ein wenig Musik täte aber gut – es ist recht still hier. Oder ein anregendes Gespräch mit einem Mitreisenden – um andere Blickwinkel zu bekommen. Wie sieht es in euerm Abteil aus, reist ihr allein oder zu mehreren? Was seht ihr, wenn ihr aus euerm Zugfenster schaut?

5 Kommentare:

  1. Mein Zug hat aufgehalten. Da draussen hängen zarte Wasser Kugelschen auf die nackten Ästen. Das Licht spielt und erzählt Geschichte. Diese Nacht hat es geschneit, jetzt ist es wieder fast Frühling, nicht sichbar aber fast, sogar Vögel sagen ja.

    Übermorgen sollte den Zug weiterfahren. Die Reise wird lange sein und das ist schön. Ich weiss das eine ganze Menge vertraute Gesichter auch mitfahren werden aber auch andere die noch unbekannt sind. Doch habe ich die Feste Ahnung dass sie so nicht lange bleiben werden und frage mich immer wieso Ich nicht mit die gleiche Stimmung in ein gewönlichen Zug einsteigen kann.

    Schöne Fahrt für dich auch Sophie.
    Josiane

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  2. Liebe Sophie ! Heute besuche ich dich und bringe dir die Rose mit, die schon so lange auf meinem Küchentisch steht. ICh frage dich, ob du nicht auch einmal eine Betrachtung über den großen Tisch schreiben kannst, welcher in diesem neuen Altbau steht, in dem die erdachten Einzelzimmer liegen. Ich bin noch immer ganz erfreut über diese Geschichte und bewege mich darin.... Es ist so, dass ich immer noch nicht entschlossen bin, welche Anna nun in deinem Haus wohnen wird . Es gibt da eine Anna mit einem anderen NAmen, die ein ganz anderes Leben führt, und es ist für mich ein schöner und in meiner augenblicklichen Lebenssituation freundlicher GEdanke, mit meinem Anna-Leben in diesem Haus der Gedanken, der Einzelzimmer, der Begegnungen zwischen Tag und Traum in den vielleicht vorhandenen Gruppenräumen zu wohnen. DIe Anna, die dir schreibt, die euch schreibt, ist ein wenig wie die Anna in deiner Zuggeschichte, die mich sehr bewegt hat. Diese Anna bin ich selber und ich bin es dch auch nicht; ich bin meine eigene Erfindung, aber so nahe an mir selber, dass vielleicht nur die äußeren Daten uns unterscheiden - aber diese können ja recht erheblich sein. Im realen Leben habe ich 4 Knder und bin Pädagogin und elf Jahre älter als du. DAs, was die beiden Leben in mir verbindet, ist mein Beruf als Musikerin und meine Leidenschaft für so vieles. Ich habe keine Ahnung, wie das jetzt alles klingt. Aber ich habe sehr den Wunsch, in diesem Schreiben und in dem KOntakt mit dir und mit den anderen diese Anna bleiben zu können, die ich in mir bin, die aber eigene Wege geht aus dem Alltag ihres normalen Lebens. Darf ich das? Würdet ihr mich einfach als Anna nehmen? Liebe Grüße an alle - diese Anna, die am Morgen dieses Tages , bevor sie zur Arbeit geht, den Frühnebel steigen sieht und voller Gedichte erwacht ist- im vollen einklang mit ihrem realen und ihrem inneren Leben

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  3. Der Zug meines Lebens fährt heute besonders langsam. Vielleicht hat die ZEit sich verlangsamt oder es gibt Unebenheiten in der Fahrplangestaltung. Und ich sitze auf einem der Plätze , in denen man meint rückwärts zu fahren. Ich blicke auf die Landschaft, die sich schon durchfahren entfaltet und versuche zu verstehen, was in meinem leben gechehen ist in den vergangenen Tagen. Wie immer war es intensiv und vielschichtig, niemals langweilig, voller Begegnungen. Doch brauche ich jetzt diese diese Zeit ganz alleine für mich, in diesem zeitlosen Raum Reise, und sei sie auch noch so kurz...
    Ich habe so viele Menschen getroffen in den letzten Tagen. Und ich konte so sehr spüren, dass jeder seine Last mit sich trägt. Ich fühlte mich oft davon betroffen, aber ich hatte auch das GEfühl, ihnen etwas abnehmen zu können in der Form, dass ich nicht belastet war. Nein, ich war es nicht. Ich fühlte mich ohne schweres GEpäck. Ich konnte alle meine Stimmungen annehmen, auch die traurigen und verlorenen, ohne dass sie mir wie eine Last erschienen wären. Ich merke das eigentlich erst jetzt, da ich darüber nachsinne und in die helle landschaft schaue. Heute nachmittag will ich eine wanderung mit meinem Freund machen auf einen Berg. wir wollen eine Weitsicht haben auf das Land unseres Lebens....Ich eill ein blaues Kleid anziehen, in das kleine Glöckchen eingenäht sind, die bei jedem Schritt leise klingeln Ich freue mich auf diesen Nachmittag. Wir werden Kaffee mitnehmen...Liebe Grüße an alle - Anna

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  4. Mein Zug rast gerade im Eiltempo durch die Landschaft, es herrscht ein geschäftiges Durcheinander in den jeweiligen Zugabteilen, Menschen kommen, andere gehen, ein paar halten eine Schwätzchen mit mir, aber die meisten, wie auch ich, haben furchtbar viel zu tun und bekommen nur wenig mit von der herrlichen Umgebung, die wir durchfahren. Gott sei Dank wird der Zug demnächst in den Bahnhof einfahren, die Ferien können beginnen und ich werde nach Herzenslust faulenzen. Liebe Grüsse von Elfriede und schöne Ferien!!!

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  5. Mein Zug rast gerade im Eiltempo durch die Landschaft, es herrscht ein geschäftiges Durcheinander in den jeweiligen Zugabteilen, Menschen kommen, andere gehen, ein paar halten eine Schwätzchen mit mir, aber die meisten, wie auch ich, haben furchtbar viel zu tun und bekommen nur wenig mit von der herrlichen Umgebung, die wir durchfahren. Gott sei Dank wird der Zug demnächst in den Bahnhof einfahren, die Ferien können beginnen und ich werde nach Herzenslust faulenzen. Liebe Grüsse von Elfriede und schöne Ferien!!!

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