Samstag, 21. Februar 2015

Vom Warten. Zwischen erwarten und verwarten

Jemanden warten zu lassen ist nicht so mein Ding. Auf diesen Text musste aber gewartet werden. Sind Er-wartungen entstanden? Ich hatte keine Zeit und musste auf eine Lücke in meinem eigenen Leben warten, die ich dann mit dem Schreiben über das Warten füllen konnte. Jetzt ist es so weit. Ich warte nicht länger. Nein, ich habe sowieso überhaupt keine Lust mehr zu warten – obwohl das in meinem Leben durchaus vorkommt. Es gibt Menschen, die mich warten lassen. Ich höre dann, dass sie nicht anders konnten, dass sie selber warten mussten, um etwas zu Ende zu bringen, um Zeit zu haben, um in der richtigen Stimmung zu sein… Das Warten wird weitergereicht, von einem zum anderen.

Worauf warte ich noch? Wartezeit ist ein großer Berg von zusammengeknülltem und unbeschriebenem Papier. Warten kann vergeblich oder ersprießlich sein, je nachdem, wie ich gestimmt bin und auf wen oder was ich warte. Wenn es sich um den nächsten Zahnarzttermin handelt, dann kommt mir alles Warten der Welt zupass. (Außer, wenn ich Zahnschmerzen habe – dann akzeptiere ich eine Wartezeit nicht.) Was ich hasse ist ein Warten, dass sich ins Land der Ungewissheit absetzt und mitunter zu ernüchternden Tatsachen führt: Vergeblich gewartet, Erwartung versiegt, ein Abgrund öffnet sich.

Anders ist es, wenn ich auf den richtigen Moment, auf Inspirationen warte, eine Tür in mir öffne und nicht weiß, wann etwas eintritt, denn dann wird um meine Mithilfe gebeten, obwohl die gerade darin besteht, nichts zu tun. Offen zu sein, zu warten, Geduld zu üben und dann im richtigen Augenblick wach zu sein und zuzugreifen und die Erkenntnisse, Gefühle oder Willensintentionen zu packen und etwas daraus zu machen, ganz sachte oder eher bestimmt – je nachdem, worum es sich handelt. Zeit zu haben ist ein kostbares Gut, warten zu können eine offene Gnade.

Wie oft stehe ich auf dem Bahnsteig und warte auf den Zug, ich erwarte ihn dringend, besonders dann, wenn es kalt ist, er muss ja gleich kommen – bis ich auf der Anzeigetafel entdecke, dass er eine nicht unbeträchtliche Verspätung hat und mein Warten in die Länge gezogen wird, wie ein klebriges und unglaublich elastisches Kaugummi. Züge und Busse lassen gerne auf sich warten, obwohl es einen Zeitplan gibt, auf dem minutengenaue Ankunfts- und Abfahrtzeiten angegeben werden. Sie hingegen warten nicht auf mich, wenn ich mal verspätet bin. Da handelt es sich um eine deutlich asymmetrische Beziehung. Anders ist es mit Taxifahrern, sie stehen da und warten, sie erwarten ihre Kunden – meistens – und freuen sich, wenn jemand kommt.

Worauf wartest du? Warten zu können sei eine Tugend, so sagt man, und das Leben biete genügend Gelassenheitsübungen in dieser Hinsicht. Ich erwarte den Frühling, den Abend, die Begegnung, die Ferien, die Wertschätzung… Aber manchmal will ich auch, dass die Zeit nicht vergeht, der Moment unendlich ist, damit ich nicht wieder so lange warten muss. Ein Leben im Hier und Jetzt bietet kein Warten, nur das Leben, in dem die Vergangenheit und die Zukunft eine Existenzberechtigung haben, bieten eine Plattform für die Tätigkeit des Wartens, die verkniestert oder lächelnd ausgeführt werden kann.

Etymologisch betrachtet kommt warten von „Ausschau halten“, „dem Kommenden entgegen gehen“, ja sogar von „auf etwas Acht haben“. Schöne Dinge, die einem langweiligen Warten etwas entgegen setzen und der sich gerne unbemerkt einschleichenden Passivität eine Aktivität entgegen setzen, die etwas Versorgendes und Tröstliches hat. Geduldig, sehnsüchtig oder vergeblich zu warten sind Unterschiede wie Tag und Nacht, ganz zu schweigen von der aufregenden Erwartung eines schönen Erlebnisses, auf das ich zugehe und das mir entgegen kommt. Alle Regenbogenfarben stehen dem Flair des Wartens zu Gebote.

Warten: aufwarten, erwarten, abwarten und eben verwarten – wenn es vergeblich ist. Ich bin dafür, dass ein neues Wort eingeführt wird. In meinem Leben jedenfalls kommt es vor. Wer kennt es noch? Ich erwarte Kommentare.

1 Kommentar:

  1. Ich kann kaum warten bis wir uns wieder einmal in Engen treffen !

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