Freitag, 13. Februar 2015

Als wir noch Kinder waren: Wasserabenteuer und Zwischenfälle

Da wir nahe der neuen Uni und auch noch in einer Beton-Hochhaus-Neubau-Wüste lebten, in der Ende der 60er Jahre Professoren, Studierende und Opelarbeiter miteinander grünlos aber übereinandergestapelt wohnen sollten (was nur ein paar Jahre gelang), wurde entschieden, dass es mit Freunden zusammen eine kleine Ferienwohnung auf dem Lande für die Wochenenden geben sollte. Dort sollte es möglich werden aus der Tür zu treten und mit ein paar Schritten im Wald zu landen. Erflinghausen im Sauerland, eine Autostunde von Politik, Bildung und grauem Beton entfernt.

Wir fuhren mit einem gelben R4, das war das Auto der Wahl, damit wurden alle Ziele in meiner Kindheit erreicht. Ein Fünftürer, das war schon etwas. Meine Eltern vorne, mein Bruder und ich hinten. Ich erinnere mich an dünnes Blech, keine (!) Anschnallgurte, harte Sitze und an ein ziemliches Geruckele bei Tempo 100. Die Ferienwohnung war klein und spießig, aber da immer viele Leute dabei waren, hatten wir unseren Spaß. Besonders begeisterte uns Kinder, dass es ein kleines Schwimmbad unten im Haus gab – im Wasser zu sein war unsere Passion.

Wenn wir nicht im Wald waren, wir sollten uns Bäume anschauen, Erde in die Hand nehmen, Pflanzennamen lernen (alles uninteressant), waren wir im Schwimmbad. Tagelang. Das war einfach wunderbar! Wir konnten so oft gehen, wie wir wollten und haben in diesem Wasser alles gemacht, was man nur machen konnte. Hie und da kamen die Erwachsenen dazu. Denn es gab auch eine kleine Sauna – das fanden die wiederum gut. Wir wärmten uns darin immer wieder auf – denn das Wasser war auf die Dauer ganz schön kalt.

Und einmal geschah es dann. Mein kleiner Bruder rutschte irgendwie von der oberen Saunabank ab und fiel hinunter. Mit dem Kopf knallte er gegen den dunkelroten Saunaofen. Und er hatte eine Platzwunde und schrie. Und die Erwachsenen kamen schnell und es war klar, dass er ins Krankenhaus müsse. Auf in den R4 und schnell nach Meschede. Dort wurde genäht und der kleine Junge beruhigte sich wieder. Aber der Oberarzt legte seine Stirn in Falten und verkündete, dass der Patient da bleiben müsse, da man einen Schädelbasisbruch befürchte.

Und nicht nur das, er kam also in ein Zimmer mit anderen Kindern, sondern er wurde auch noch in seinem Bett festgeschnallt. Er durfte sich nicht bewegen. Und ich durfte ihn nicht besuchen. Auf die Kinderstation durften Kinder erst ab zwölf Jahren – und so alt war ich noch nicht. Mein kleiner Bruder blieb also dort, tage- und nächtelang und ich durfte ihn nicht besuchen – obwohl wir zu Hause immer zusammen waren – ein Leben ohne meinen Bruder kannte ich nicht. Nur meine Eltern durften hin. Das war fatal. Das Krankenhaus, eine Autostunde von uns entfernt, jeden Tag Besuchszeit von 15-17 Uhr. Wie er das ausgehalten hat, das weiß ich nicht…

Und einige Zeit später passierte etwas anderes. Wieder waren wir schwimmen. Aber diesmal in einem See – im Hennesee. Mit nackten Füssen mussten wir durch die Matsche ins Wasser laufen. Das machte uns an sich nichts aus. Aber ich trat in etwas Hartes und Spitzes hinein. Und als ich den Fuß anhob, lief das Blut in Strömen. Ein tiefer Schnitt im Fuß – von einer Glasscherbe. Und ich rief meine Eltern, mein Vater kam angelaufen, rettete mich aus dem Wasser und trug mich auf den Armen ins Auto.

Wir hatten nichts dabei, einen Erste-Hilfe-Kasten schon gar nicht, und darum wurde meine rote Frotteeunterhose um den blutenden Fuß gewickelt. Und wieder ging es nach Meschede ins Krankenhaus. Und ich schrie und hatte Angst, dass man mich dabehalten würde… Aber so weit kam es nicht. Der Schnitt wurde genäht, in weißes Mull eingehüllt und ich durfte wieder gehen. Nein, gehen war nicht möglich – auf den Fuß konnte ich nicht auftreten. Mein Bruder hat mir eine Krücke gebaut, mit der ich hüpfen konnte. Und in der Schule musste ich nicht am Sportunterricht teilnehmen…

Die Wochenenden in Erflinghausen waren immer aufregend und abenteuerlich. Allerdings wohl in anderer Weise, als unsere Eltern sich das gedacht hatten. Wir haben überall aus dem etwas gemacht, was uns zur Verfügung stand. Und in diesem Fall standen die Wasserabenteuer eindeutig im Vordergrund – auch wenn es Zwischenfälle zu überstehen galt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen