Sonntag, 18. August 2013

Firenze 1490. Was webte zwischen den Beteiligten des Kreises um Lorenzo de Medici? Teil III


Ja, wie steht es mit den weiteren Beziehungen und Verbindungen der Einzelnen und was ist das geistig tragende Element? Lorenzo war verheiratet und hatte eine Familie, das ist von den anderen nicht zu sagen. Es gab erotische Freiheiten, homo- und heterosexueller Art, die Männer müssen sich nahe gestanden haben. Der Platz, den sie sich gegenseitig in ihrem Leben gegeben haben, war ein entscheidender – ihre Briefe untereinander bezeugen das.

Wie sah das Menschliche, allzu Menschlichem bei ihnen aus, wie sind sie gegebenenfalls mit vergeblichen Hoffnungen und unerfüllten Wünschen umgegangen? Die ihnen zuarbeitenden Sekretäre, Diener, Köchinnen oder sogar Sklavinnen in den unterschiedlichen Häusern werden ebenfalls einen (verborgenen) Beitrag zu dem geleistet haben, was wir heute als die Geburt der Renaissance bezeichnen, stets der Sache dienend...

(Auffällig ist natürlich, dass nur wenig Frauennamen überliefert sind oder in philosophischer Hinsicht gefeiert werden. Es gab eine schöne Simonetta, eine Lucretia, eine Maddalena… Frauen werden über die marginale Rolle hinaus, die sie heute in den Geschichtsbüchern spielen, ihren Part übernommen haben. Aber das ist ein anderes, ein geheimnisvolles Kapitel. Ich betrachte die gegebenen Steckbriefe der Männer und die gedanklichen Flüge als allgemein Menschlich und beziehe die weibliche Seite selbstverständlich mit ein. Wie gut, dass sich die Zeiten geändert haben!)

Das tragende Element des Kreises um Lorenzo, zu dem auch Nicht-Benannte gehören, scheint mir eine goldene Einheit zu sein. Zwar war auf dem Konzil von Konstantinopel 869 n. Chr. der Geist abgeschafft worden, aber darum scherte man sich in Firenze offensichtlich nicht. Man war gleichermaßen physisch, seelisch UND geistig unterwegs. Man nahm Dante ernst. Das geistige Band, die Verbindungsquelle ist auf seelischer Ebene die Platonische Akademie, der die Freunde auf physischer Ebene angehörten. Das sie begeisternde Bildungsideal, über die Sieben Freien Künste hinaus, ist die Idee des freien, auf sich selbst gegründeten Menschen.

Das, was wir heute in Windeseile über das Internet recherchieren können, uns über SMS oder Telefongespräche rund um die Welt mitzuteilen in der Lage sind, miteinander im direkten Gespräch benennen und entwickeln – die Strecken mal eben mit dem ICE oder dem Flugzeug bezwingen – war damals in Firenze gebündelt, die Freunde waren zeitgleich vor Ort. Stellvertretend für Positionen, Ideen, Neuentdeckungen und Möglichkeiten hat der Kreis um Lorenzo zusammen gestanden und sich durch Krisen, Kriege und Verschwörungen hindurch, geistig, seelisch und physisch nicht aus der Bahn bringen lassen, sie haben einander groß gesehen und das Leben gefeiert.

Politik (wollen) braucht Poesie (fühlen), was ohne die Philosophie (denken) nicht möglich ist. Die Dreiheit ermöglicht eine freie Gesellschaft. Einige Jahre nach 1490 haben die Widersacherkräfte so kräftig zugeschlagen (Savonarola gehört tragischer Weise dazu!), dass die Errungenschaften zu verschwinden drohten. Der politische Machtkampf verhinderte weitere Entwicklungen. Sichtbar ist das am verwundeten Schädel von Guiliano, Lorenzos Bruder, obwohl der schon einige Jahre zuvor (1478) umgebracht worden war. Brutal war auf ihn eingeschlagen worden, die Schädeldecke mehrfach zerstört (Medici Ausstellung in Mannheim).

Außer den alten Steinen, den Gebäuden und Skulpturen ist wenig übrig geblieben – allerdings ist der Glanz noch immer wahrzunehmen. Auch die Untersuchungen der sterblichen Überreste nach fünfhundert Jahren bringen nicht viel zu Tage, was helfen könnte, die geistigen Impulse zu entschlüsseln. Die Suche führt durch eine Zwischenwelt, des Nicht-mehr und Noch-nicht.

Die Widersachermächte können zwar Menschen zum Schweigen bringen, sie einsperren oder vergiften, sie daran hindern menschlich und ideell in ihrer Zeit zu erblühen, aber sie können keine Ideen und Ideale, Motive und Vorhaben zerstören. Zum Geistigen haben sie keinen unmittelbaren Zutritt. Damit das Geistige aber auf der Erde wirksam sein kann, braucht es Menschen mit großen Herzen, mutigen Gedanken und individuellen Taten.

Auch, wenn kein Jahrzehnt nach 1490 kaum einer der Gefährten noch lebt, hat sich kulturgeschichtlich etwas ereignet, was über das private Leben der Einzelnen hinausgeht. Welche Bedeutung hat das florentinische Geschehen für uns heute?

Fortsetzung folgt.

1 Kommentar:

  1. Danke liebe Sophie für die Anregungen das Alte ernst zu nehmen doch es immer neu und weiter bewegen. Nicht Zuschauer bleiben, Akteur werden, Geheimnisse lüften. Eine schöne weitere Reise wünsche ich dir.
    Josiane

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