Elf Künstler schließen sich für eine Woche zusammen. Sie veranstalten ein Symposion. Thema: Heimat. Am Ende der Arbeitswoche machen sie eine öffentliche Vernissage. Ich bin von dieser Idee begeistert, bin neugierig und denke, mal sehen, was für diese Leute Heimat ist. Gerne will ich davon dann auf meiner Blog-Site erzählen.
Die Arbeitswoche liegt nun hinter den Künstlern. Gestern war die Vernissage. Sie war bunt und vielseitig, viele Menschen nahmen daran Anteil und es waren eine ganze Menge „Dinge“ dabei, über die sich nachdenken, nachsinnen lässt und deren Spuren mich heute verfolgen.
Heute ist es aber gar nicht so einfach, die richtigen Worte zu finden. Und ich habe jetzt das Gefühl, dass ich über Heimat und die Vernissage gestern überhaupt nicht schreiben kann. Ich bin verwirrt. Irritiert. Und ein bisschen desillusioniert. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Das entstandene Bild hat Konturen, Farben und Formen, aber kein „Resultat“, keine klar umrissenen Ränder. Ich habe verstanden, dass es keine neuen Wahrheiten gibt. Und irgendwie war es wohl das, was ich gerne finden wollte. Die neue Wahrheit - eine schlichte Definition - über das einfache Wort „Heimat“.
Was es aber gibt, sind Kunstwerke – Objekte, Fotos, Skulpturen, Bilder, Installationen ganz unterschiedlicher Art - die in einer Woche unter dem Thema Heimat an einem gemeinsamen Ort entstanden sind. Von meinem Eindruck, dem, was sich in mich eingedrückt hat, kann ich berichten, kann versuchen davon zu erzählen. Durch meine Freundschaft zur Malerin Panka Chirer-Geyer (www.panka-geyer.de) habe ich mein Augenmerk hauptsächlich auf ihre Werke gerichtet. Die anderen Künstler mögen mir dies verzeihen.
Die Malerin hat im Vorfeld ältere - eigene - Bilder in Postkarten verwandelt und ihren Bekannten-, Freundes- und Kollegenkreis gebeten auf dieses neu entstandene Bild etwas zum Begriff „Heimat“ zu schreiben. All diese Karten wurden gestern auch ausgestellt. Durch das ganze Gebäude hingen – neben vielen anderen Dingen - die Karten verteilt und auf jedem dieser Bilder stand etwas anderes darauf. Etwas, was mit Heimat zu tun hat. Die Menschen dahinter blieben verborgen, waren unsichtbar. Und doch waren alle bei der Vernissage irgendwie anwesend. Durch ihr persönlich geschriebenes Wort über „Heimat“.
Da mein eigenes Metier das Wort ist, konnte ich damit viel anfangen. Es gab da sehr unterschiedliche Aussagen. Und obwohl ich die meisten Menschen nicht kenne, kam in diesen Karten viel Persönliches herüber, Eigenes. Heimat scheint heute sehr individuell zu sein. Und verletzlich. Es gab viele Aussagen über die innere Heimat. Über die Suche nach innerer Heimat. Wenig über das äußere Beheimatet sein. Und das ist schon irgendwie ein erschütterndes Zeugnis. Ich kann mich nicht erinnern, dass geographische Orte genannt wurden. (So, wie wir das aus Heimatliedern kennen…) Nein, es wurden eher Gemütsäußerungen beschrieben. Stimmungen. Momente. „Es duftet nach Essen und alle sind da“ - zum Beispiel. Beziehung kam zum Ausdruck. Beziehung zu sich selber, und zu anderen. Das soziale Umfeld war greifbar. Heimat und Menschen lassen sich nicht trennen.
Die Umwälzungen in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts haben viel mit Verlust von geographischer Heimat zu tun. Unendlich viele Menschen mussten sich in dieser Hinsicht bewegen - nicht umsonst wurde der Begriff „Neue Heimat“ von boomenden Baugesellschaften geprägt - ganz Europa wurde einmal durchgeschüttelt. Der Ort der Heimat, die Frage des beheimatenden Raumes ist nicht mehr örtlich, physisch ver-ortbar, sondern er hat sich auf die innerpsychische, die seelische Ebene des Menschen verlagert. Das wurde auf den Karten sehr deutlich. Und die Frage der Zeit – „Heimat“ hat doch ursprünglich Ewigkeitscharakter (?) – hat sich auf Momente reduziert oder auch: intensiviert. Raum und Zeit bekommen in Bezug auf „Heimat“ eine neue Signatur.
Und auch dies finde ich ein interessantes Resultat der Ausstellung (gibt es also doch ein Resultat…): obgleich natürlich sowohl mit Worten als auch mit Gegenständen, Dingen, Objekten etc. Aussagen getroffen wurden, war auch ein Fragezeichen wahrnehmbar. Das Herantasten war spürbar. „Könnte das, was ich hier mache etwas mit Heimat zu tun haben?“ Und so wurden auch die Heimatlosen thematisiert, die Frage nach einer möglichen Heimat. Und dies wurde über die wunderbare Idee Heimat-Lose zu verkaufen realisiert, damit einige der Anwesenden ein „Heimat-Objekt“ gewinnen und mit nach Hause – in ihre Heimat? - nehmen konnten. Die andere Hälfte der Einnahmen über die Heimat-Lose werden tatsächlich Heimat- (und Obdach)losen zukommen.
Das Thema Heimat macht in bewegten Zeiten unruhig. Es fordert heraus. Heimat muss also immer wieder neu erschaffen werden. Und das haben die vielseitigen und kreativen Künstler in Trossingen gezeigt. Für Interessierte ein Tagebuch in Bildern: http://www.heimat.bau-aa.de/
Lyrik
das Nichtwort
ausgespannt
zwischen
Wort und Wort
Hilde Domin
das Nichtwort
ausgespannt
zwischen
Wort und Wort
Hilde Domin
liebe mama, spannende aspekte!
AntwortenLöschendas mit den "heimat-losen" inspiriert mich zu einer performance...
deine Rosa