Mittwoch, 8. April 2009

Il Magnifico und die Fortführung seiner Arbeit. Ein Schicksalsnetzwerk.

Wenn ich heute durch die Altstadt von Florenz laufe, sind es weitgehend die gleichen Steine, über die auch die Menschen vor über fünfhundert Jahren gegangen sind, die gleichen Paläste, Burgen und Häuser, ja das Stadtbild hat sich, trotz der langen Zeit, kaum verändert. Es scheint so, als ob die Stadt auch heute noch darauf wartet, dass das, was damals entstanden ist Früchte trägt.

Was wir heute neben den Gemäuern mit ihrer speziellen Aura zur Verfügung haben, sind die Aufzeichnungen, Beschreibungen, Dichtungen und Briefe der Menschen, die sich um das ungekrönte Herrscherhaus der Medicis am Ende des 15. Jahrhunderts versammelt haben. Und es ist erstaunlich, was sich alles rekonstruieren lässt. Namen können genannt werden, Ereignisse, Verhältnisse, ja das Leben, Leiden und Lieben lässt sich nachvollziehen.

Lorenzo, genannt il Magnifico, war der Mittelpunkt. Uneingeschränkt. Nicht nur Kraft seines Amtes, seiner finanziellen Mittel und seines politischen Geschicks, sondern, weil er die Zeichen seiner Zeit verstanden und umgesetzt hat. Obwohl es heißt, dass Lorenzo hässlich anzusehen war, scheint es, dass er ein wunderbarer Liebender war, der seine Gefühle und Sehnsüchte auch als Dichter zum Ausdruck bringen konnte. Ausserdem hatte er einen Zugang zu philosophischen Fragen, feierte gerne Feste, unterstützte die Künste jeglicher Art und schenkte der Stadt eine blühende Zeit. Dank seines Großvaters, Cosimo Pater Patriae, hat er schon in jungen Jahren ein sensibles Gespür dafür entwickelt, was der Zeit Not tat. Von seinem 21. Lebensjahr an übernahm er für die folgenden 21 Jahre die Geschicke der Stadt.

Die Zeit war geprägt vom Aufbruch, Neues wurde möglich und vieles geriet in Bewegung. Schon Cosimo hat die Platonische Akademie aus der Taufe gehoben und Lorenzo hat das Kind gepflegt. Kein geringerer als Marsilio Ficino hat begonnen, die Platon-Texte zu übersetzen. Um ihn fand sich ein Kreis von Philosophen und Gelehrten, schlicht Menschen mit offenen Herzen und geistigem Hunger, die begannen die Welt neu zu sehen, neu zu verstehen. Angelo Poliziano war dabei, Pico della Mirandola, Christoforo Landino und viele andere. Auch der Bildhauer, Maler, Künstler und Architekten gäbe es viele zu nennen.

Interessant ist, dass sich die Männer, denn von den Frauen wissen wir nicht viel…, in verschiedenen Positionen, Rollen und Verhältnissen begegneten. Der eine war dem anderen nicht nur Lehrer, sondern gleichzeitig Geliebter, Untergebener, Erzieher seiner Kinder oder gar Diener, Beichtvater, „Kollege“, Mäzen, Freund, „Möglichmacher“ oder einfach herzlich zugeneigter Mitmensch. Lorenzo konnte „sehen“, er hat es geschafft, vielen seiner Mitmenschen die Entfaltung ihres Potenzials zu ermöglichen.

Was „Florenz“ damals nicht konnte, war Krieg führen. Lorenzo war kein Mann der Waffe. Diplomatisch ging er vor – il Magnifico selbst begab sich in die Fänge des Königs von Neapel um den Zwist mit dem Papst zu beenden. Obwohl tief christlich veranlagt scheute er auch die Exkommunikation nicht. Das menschliche Wort bekam eine neue Bedeutung.

Zu seinen Lebzeiten gelang all dies. Heute ist sein Sterbetag – Lorenzo starb 43jährig am 8.4.1492 nahe Florenz in seiner Villa in Careggi. Nach seinem Tod nahm die Geschichte ihren Lauf. Pico und Poliziano wurden ermordet (von Ficino?), Michelangelo geriet in die Fron des Papstes, Lorenzos Sohn und Nachfolger Piero unterwarf sich dem französischen König, Savonarola begann sein Unwesen zu treiben. Das Schicksalsnetzwerk bröckelte auseinander, der Mittelpunkt fehlte.

Physisch können wir heute nur noch zwischen den toten Steinen umherstreifen, aber ätherisch ist der Kreis der Humanisten nah, denn sie suchen ihre eigene Fortführung – und geistig gilt es weiterhin um die Vereinigung des Platonischen mit dem Aristotelischen zu ringen.

Neue Schicksalsnetzwerke dürfen entstehen um das Werk forzuführen. Jeder von uns kann dabei sowohl Mittelpunkt als auch Knotenpunkt sein, jeder an seinem Ort, mit seinen Themen und seinen Gefährten. Einander sehen, hören, unterstützen und Wege bereiten. Jeder als „Bildhauer“ seines eigenen Lebens und durch die Unterstützung des Anderen.

Lorenzo il Magnifico hat seinen Beitrag gegeben – jetzt, so scheint es, sind wir dran.

4 Kommentare:

  1. jetzt bekommt es einen sinn, dass der todestag von lorenzo im familiengeburtstagskalender steht...
    DANKE! :)

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  2. Ah, das erste Mal in Florenz, morgens um 6! Wunderbar still. Auch mit dem besonderen Bruch durch die Herrn mit der Sackkarre und den 3 Kästen Bier darauf. David blieb natürlich unbeeindruckt.

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  3. Ja, an die Ankunft erinnere ich mich... wir kamen aus Italien... ich glaube sogar, dass es noch früher am morgen war... die stadt war leer. die sonne ging auf. wir konnten alle Gebäude sehen. um den dom streifen, das baptisterium... Ohne andere Touristen! Tauben gab es aber, daran erinnere ich mich. Und "Müllmänner"...
    Aber ein Herr mit Sackkarre und drei Kästen Bier? Daran erinnere ich mich nicht...

    Ja, es war das intensivste Florenzerlebnis was ich je hatte...
    Gruß!

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  4. 3 Bayern kamen aus unserem Zug mit der Sackkarre, wir trafen sie hie & da.

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