Samstag, 11. Juli 2015

Herzensangelegenheiten. Friedrich und zwei schillernde Schwestern


Die lieblichen Grünvariationen der Sommerlandschaft laden Protagonisten und Zuschauer zum Träumen und Verweilen ein. Idealisierte Bilder und Ideen entstehen in den jungen, offenen, schwärmenden Seelen und Herzen, für deren Halt die leicht vorbeiziehenden Schäfchenwolken Pate stehen. Blau und Grün dominieren das Bild – Himmel und Erde. Dazwischen die Menschen, gekleidet in faltenreiche Gewänder, mit denen sie ihre Contenance zu wahren und das ein oder andere zu verstecken trachten.

Innerlich aber sind die handelnden Figuren aufgewühlt und erregt bis über beide Ohren. Worte gilt es zu wechseln, erst Lyrik, dann Prosa, und die Dramatik wird der Nachwelt überlassen. Boten reiten von hier nach da, die Post wird selbst nachts oder an verschwiegenen Orten ausgeliefert. Handgeschrieben, versiegelt, Worte von herzlicher Bedeutung – nicht anders, als heute Nachrichten über Smartphones ausgetauscht werden, zu jeder Stunde, an jedem Ort. Das Telefonieren kannte man noch nicht, die Sehnsüchte aber waren die gleichen: dem begehrten Objekt nah sein.

Die Geschichte liegt Jahrhunderte zurück, mit Pferdefuhrwerken wurden die innerdeutschen Strecken zurückgelegt, die heute der ICE im Stundentakt abfährt. Aber nicht minder brisant als heutige Verknüpfungen, Versuche und Verdrehungen hat sich Friedrich Schiller damals auf die beiden Lengenfeld-Schwestern eingelassen. Mit beiden hatte er ein Verhältnis, so erzählt es der Film, aber nur eine konnte er offiziell heiraten. Diese konnte im Licht stehen, öffentlich auftreten und die Mutter seiner Kinder sein.

Die andere aber, die als Schwester der Ehefrau nicht weniger interessant und anziehend war, hatte sowohl die literarische als auch die intellektuelle Größe mit dem umworbenen Mann in geistigen Gefilden Schritt zu halten, was sich auch auf der körperlichen Ebene niederschlug. Unglücklich verheiratet ließ sie sich nach vielen Jahren von einem uninteressanten Mann scheiden und versuchte ihr Glück allein, bis sie schwanger wurde. Und an dieser Stelle zeigt sich der Unterschied zwischen dem 19. und dem 21. Jahrhundert, denn in gehobenen Kreisen ohne Mann auszukommen war damals keine wünschenswerte Aussicht.

Die Ménage-à-trois um Friedrich Schiller ist an der Oberfläche nicht zu halten, jeder muss seinen Stand wahren und irgendwie durchkommen, und so heiratet die, die nicht seine Ehefrau ist wieder, um standesgemäß halbwegs versorgt zu sein. Auch das Verhältnis der „Geliebten Schwestern“, so der Titel des Films, leidet. Die geschworene Offenheit verwandelt sich in einsame Verschwiegenheit. Die Mutter fordert am Ende ihres eigenen Lebens Versöhnung zwischen den Frauen, die jedoch nur schwer zu erlangen ist. Sind es doch echte Herzensbrecher, die sich einen Weg ins Erträgliche suchen.

Schiller entscheidet sich in diesem Moment zu sterben – was wohl eine recht bequeme Variante ist, um nicht weiterhin ein Keil zwischen den Schwestern zu sein. Ein Film, der Schiller von einer Seite zeigt, der über seinen schriftlichen Nachlass hinausgeht. Nur ein einziger Brief, so heißt es, habe die Story geliefert, die sich über die Leinwand erstreckt und den großen Dichter samt seinen Liebsten so ganz menschlich und nicht nur erhaben zeigt. Weder Schuld noch Verrat spielen eine Rolle, sondern mutige Wege, das Unmögliche möglich zu machen und dabei den Herzensangelegenheiten gerecht zu werden.

Zu den Blau- und Grüntönen sind im Verlauf der Handlung die Farben grau und rot dazugekommen. Weimar, Jena und Tübingen um 1800, träumende Städte, die auf Grund der Berichte aus Paris langsam erwachen. Dem politischen Umsturz im Äußeren gehen innere Öffnungen voraus. Rebellion, Revolution und Revanche für die Freiheit setzt geöffnete Herzen voraus, die im Stande sind, die eigenen Gefühle anzunehmen und Urteile individuell zu fällen.

Individuum und Welt sind keine voneinander getrennten Geschehnisse, sondern sie gehen als lemniskatischer Prozess auseinander hervor und befruchten sich gegenseitig. Das Schlachtfeld der Aufklärung ist die individuelle Seele des Menschen – was auch die Geschichte um Schiller und die beiden Lengenfeld-Schwestern zeigt.

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