Geräusche, Gerüche, Getümmel – die Stadt erwacht jeden Morgen aufs Neue durch die Neugier der Menschen, obwohl sie die ganze Nacht nicht zur Ruhe gekommen ist. Die Einheimischen gehen ihrer Arbeit nach und die Fremden, die dem morbiden Flair verfallen sind, wollen sehen, hören und spüren, was die sieben Hügel zu bieten haben. Die Sonne zieht in einem langen Bogen über den Himmel, mehr als einen langen Tag lang hält sie ihre Vormachtstellung. Sie ist die Siegerin des portugiesischen Sommers, inmitten des unendlich blauen Himmels.
Rund um den Praca de Luis de Camoes fährt die legendäre Tram Nr. 28, die noch darauf wartet, mich durch Gassen und Gässchen zu kutschieren. Die kleine Bahn durchquert ratternd und polternd die Stadt und zeigt Höhen und Tiefen. Ich sitze bei einem Kaffee auf dem Platz und nehme wahr, was der Sommermorgen bringt. Sich hier im mitteleuropäischen Sinne zurechtzufinden ist gar nicht so leicht. Loslassen und festhalten sind gleichermaßen gefordert, denn die hier herrschenden Gesetze unterliegen anderen Gepflogenheiten. Der schwarze Kaffee lädt dazu ein, in die Tiefe der Seele abzutauchen, die der verfallenden Pracht um mich her gleicht.
Das Muster der Steine auf dem Boden erzählt von besseren Zeiten. Hier gab es einmal Männer, die jeden einzelnen Stein nach Farbe und Form gesetzt haben. Eine Vision, die der Sternenhimmel in der Nacht preis gab und die hier auf den Boden gebannt wurde, über den täglich Tausende von Menschen laufen. Idee und Materie sind eins - Himmel und Erde spiegeln einander. Die einst prunkvollen Häuser, die den Platz zu dem machen, was er ist, bilden den Umhang. Die Fenster verschlossen – alles spielt sich auf der Straße davor ab – Innenräume bleiben Geheimnisse.
Die Müllabfuhr versucht auch am Tag durch die engen Gässchen zu kommen, Autos, Menschen, Busse und Bahnen – das Leben ist voll und langsam hier. Die Stadt erzählt in obdachlosem Moll von vergangenen Tagen. Nur der Blick auf dem Hügel gibt die Weite frei. Die Bucht des Flusses, den Himmel, Luft und Licht in Hülle und Fülle. Sie umschmeicheln die stinkenden Gässchen, die verfallenden Häuser, die Erzählung von Gestern, die das Morgen im Ungewissen lässt. Hier gibt es nur den Moment und der ist für Portugiesen elastisch.
Im Wechselbad der Geschichte, ob maurische oder spanische Besetzung, immer wieder Befreiung und Eigenständigkeit des Landes, Aufstieg und Niedergang nicht nur geographisch in der Stadt der sieben Hügel sondern auch wirtschaftlich - ein Land, das den Moment feiert und sich nicht kleinkriegen lässt. Der Name des Landes lässt sich auch so lesen: Port u Gral. Noch immer ist er da, er liegt verborgen und wartet auf ein Morgen. Denn auch die Templer konnten sich dazumal in dem Land an der Küste retten und unter neuem Namen (Christusorden) weiterbestehen.
Die fein bemalten Kacheln an den Häusern, ein deutlich arabischer Einschlag, zeigen Bilder, die den Klang der unverständlichen Sprache mit den vielen Zischlauten präsentieren. Die mit feinen Pinselstrichen aufgetragenen Farbnuancen lassen die Seele träumen. Die Schönheit des Lebens zeigt sich diskret und offen zugleich. Wein, Fisch, Oliven und Käse am Abend, wenn die Sonne entschwunden ist und ein laues Lüftchen weht, im Klang der Straßenmusik und der vielen freundlichen Gesichter am Ufer des Tejo. Das geheimnisvolle Lissabon ist eine Reise wert!
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