Wenn ich von A nach B fahre, zum Beispiel mit dem Zug, dann geht es darum, meinen Körper zu transportieren. Meine eigene Tätigkeit besteht in diesem Fall darin, mich physisch auf die Beförderung einzulassen. Wenn ich die Strecke mit dem Auto zurücklege und selbst am Steuer sitze, habe ich weniger innere und äußere Freiheiten dabei, als wenn ich in der 2. Klasse der Deutschen Bahn sitze und einen Platz im ICE ergattert habe.
Äußerlich kann ich durch die Waggons schlendern, wenn die Gänge nicht überfüllt sind, mich ins Bordbistro begeben oder aufs Klo gehen. Innerlich habe ich aber noch mehr Freiheiten: Ich kann denken, lesen, träumen, schlafen, mich unterhalten, aus dem Fenster schauen, und, und, und.
Im Gegensatz zu meinen Körper, ist mein Geist immer frei und kann sich unbeschränkt in Raum und Zeit bewegen und diesen oder jenen inneren gedanklichen Ort oder Zusammenhang aufsuchen. Zuträglich oder abträglich für meine gedanklichen oder emotionalen Ausflüge ist selbstredend das Umfeld. In einem Fußballstadion lässt es sich weniger konzentriert denken oder frei träumen als in einer Bibliothek oder in einem Bett. Wenn ich mich von A nach B mit dem Zug fahren lasse, können Körper und Geist beieinander bleiben oder eben auseinanderfallen sowie bewusst auseinandertreten.
Bei jeder Tätigkeit, die uns die Möglichkeit gibt, Körper, Seele und Geist nicht an einem Ort, bei einer Sache beieinander zu halten, können wir interessante Erfahrungen machen. Wenn ich an der Straßenbahnhaltestelle stehe und auf die Bahn warte kann ich mich ärgern, dass sie immer noch nicht da ist, kann die herumstehenden Menschen betrachten und mir vorstellen, was sie wohl vorhaben, stumpf vor mich hin starren, mich Erinnerungen oder Phantasien hingeben oder mein Buch zur Hand nehmen. Äußerlich gebietet mir mein Wunsch mit der Bahn zu fahren einfach zu warten und innerlich kann ich mich frei entscheiden, wohin ich mich wende.
Nicht immer gelingt es mir, mein Innenleben frei zu gestalten. Manchmal geht alles wie von selbst, ich erinnere mich an den stressigen Vorgang bei der Arbeit, argumentiere innerlich aufgebracht gegen die Vorwürfe, die erhoben wurden, meine Gedanken springen hierhin und dorthin. Dadurch, dass ich äußerlich zur Ruhe komme - ich warte immer noch auf die Bahn - beginnt mein Innenleben die Regie zu übernehmen und zeigt mir die Schauplätze, die noch brach liegen und auf Verarbeitung warten.
Anders ist es, wenn ich in einem Seelenzustand bin, in dem ich mich frei in meinen Vorstellungen, Wünschen und Phantasien bewegen kann. Dann fällt mir etwas Neues oder fast Vergessenes ein (etwas "fällt" in mich ein), dann spinne ich den verloren geglaubten Gedanken weiter, lasse meine Gedanken zu einem Palast werden und richte ihn ein - Gold überwiegt dann darin und wundersame Worte, die in die Tiefen und Höhen der menschlichen Seele reichen und einen sanften Duft der Hinwendung verströmen. Mein inneres Lächeln kann Menschen, Ereignisse und Vorfreuden umschlingen.
Aber es ist auch möglich, den inneren Zug des Vergessens ohne Halt durch den nächsten Bahnhof fahren zu lassen, um nicht am Fundament zu rütteln sondern der sommerlichen Wärme eine Chance zu geben, Einlass in die menschliche Seele zu erhalten und angenehme Düfte wie auf einem Gewürzbasar wahrnehmbar zu machen. Ich bin frei mein Gedankenleben zu gestalten. Ganz anders verhält es sich in dieser Hinsicht mit meinen Gefühlen. Gefühle sind Gefühle sind Gefühle. Einfluss habe ich aber auf die Bedeutung, die ich ihnen zumesse, ich kann sie groß oder klein machen, ihnen eine Zukunft in mir eröffnen oder ihnen klar und unmissverständlich zu verstehen geben, dass sie nicht willkommen sind.
Lücken in der Zeit eröffnen gestaltbare Innenräume, die sie gerade im Außenraum nicht sind. Jeder Außenraum jedoch wird in letzter Konsequenz von einem menschlichen Innenraum erschaffen. Der Schnittpunkt zwischen Außen und Innen ist mal wieder das menschliche Herz, der Raum für Gefühle, von denen letztlich alles abhängt, was innen und außen passiert.
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