Montag, 14. Juli 2014

Motive. Mut für den nächsten Schritt


Du fragst nach dem nächsten Schritt. Du zögerst, weißt nicht so gut, wohin du deine Füße als nächstes setzen willst, wirst, musst. Dir ist bang vor dem Moment, an dem du an das Ende der Straße kommst, auf der du seit ein paar Jahren gehst. Diese Straße hat dich gehalten, sie hat dir die Richtung gewiesen, dir Halt geboten. Damals hast du die Abzweigung freudig genommen, jetzt stehst du am Ende der Straße. Vor dir liegt ein bunter Strauß von neuen Straßen, Wegen, Pfaden in die du einbiegen kannst - sie bieten sich alle an - allerdings fordern sie, dass du dich für sie entscheidest.

Sie fordern Bewusstsein, ein Ziel, sie wollen Gründe dafür, dass du sie nutzt, dass du auf ihnen gehen willst. Ob sie steinig sein werden, holprig oder gerade, eben und bequem lässt sich im Voraus nicht sagen. An einigen von ihnen werden Blumen, Büsche und Sträucher wachsen, da wird es etwas geben, was Schatten spendet, wenn die Sonne zu heiß brennt oder was den Regen abhält, wenn der Himmel sich ergießt. An manche grenzen weite Ebenen an, staubig und trocken, sie ermöglichen die Aussicht auf einen weiten Horizont. Andere führen durch einen Dschungel von Bäumen oder Häusern oder Fabriken oder Ruinen...

Die Frage ist nicht die nach dem Weg, nach der Beschaffenheit der Straße. Nein, die Frage muss an anderer Stelle beantwortet werden. Wesentliches kann von Unwesentlichem unterschieden werden. Die Frage des nächsten Schrittes hängt von den Motiven des jeweiligen Lebens ab.

Menschsein heißt, an Raum und Zeit gebunden zu sein. Geburtsdatum und -ort sind bekannt, Sterbedatum und -ort noch nicht. Dazwischen liegen Zeit und Raum, die sich gestalten lassen. Auf der Zeitachse vergehen Stunden um Stunden, Tage um Tage, Jahre um Jahre - unermüdlich. Je länger wir leben, umso weiter können wir zurück schauen: Gestern, vorgestern, letztes Jahr, vor zehn Jahren, in meiner Jugend und Kindheit... Erinnerungen machen unsere kleine, innere Welt zu dem Raum, in dem wir zu Hause sind, in dem wir Identität erleben.

Aber wir werden nicht nur von einem Blick in die Vergangenheit getragen, mit all den Begegnungen und Erlebnissen, die unser Bewusstsein erhalten kann, sondern auch von den vergessenen, untergetauchten, scheinbar verlorenen. Der Schatz des Erlebten ist geheimnisvoll und unergründlich. Und so ist es auch mit der Zukunft, mit dem, was aus der Zukunft auf uns zu kommt. In dieser Blickrichtung können es keine Erinnerungen sein, sondern es ist das Gewissen, das in uns spricht - mitunter mit Signalen, Zeichen oder Hinweisen, deren Bedeutung nicht sofort auf dem Tisch liegt.

Das Gewissen kommt aus der Zukunft, von der wir nicht wissen, wie groß, breit oder lang sie ist, auf uns zu. Es spricht leise zu uns, manchmal raunt es auch nur unbekannte Worte. In letzter Instanz ist es immer klar und eindeutig. Es kann scharf wie ein Messer sein und sanft wie eine Sahnetorte. Das Gewissen zeigt sich zwar mitunter kleinlich und millimetergenau, sein Wesen aber ist groß und weit und des Verzeihens fähig. Es schaut nicht auf Momente, sondern auf Konsequenzen und Folgen - es sieht die Dinge groß. Es umfasst Raum und Zeit und führt uns ohne Pardon in das, was vor uns liegt.

Ablenken lassen wir uns von unserer Bequemlichkeit, den Alltagsnöten und dem praktischen Leben. Das Alltagsleben fordert den peniblen Blick auf links und rechts, oben und unten im Netz der Gesellschaft, in den Kokon der eigenen Behaglichkeit. Steine im Weg, verschlossene Türen, offene Abgründe, Abstürze ohne Sicherungsseil... Das Alltagsleben steht vor der Tür, wenn wir fliehen wollen, kniet an unserem Bett, wenn wir schlafen wollen und hält sich auch vor großen Dichtern und Denkern nicht zurück.

Einzig die Motive eines Menschen, die Willensintentionen sich in dieses (und kein anderes!) Leben zu begeben, überdauern Raum, Zeit und Alltagsnöte. Gerade jetzt, gerade hier, mit diesen Menschen und jenen Umständen. Motive überdauern, auch wenn sie verdeckt werden. Das Movens führt und leitet und gibt dem Regisseur unseres Lebens hin und wieder Tipps und Hinweise - in seiner Sprache, von der wir nicht immer sagen können, dass wir sie nicht verstehen...

Wir haben die Chance zu lernen - und was gibt es mehr? - Spuren zu folgen, Erfahrungen zu machen, uns an Kreuzungen zu entscheiden. Wenn die Abdrücke im Schnee verschmelzen, dann sind die eigenen Schritte gefragt - denen vielleicht einmal jemand anderes folgen wird. So ist das Leben, wir sind nicht allein.

Der Weg entsteht unter unseren Füßen, wenn wir ihn gehen. Sei schlau, hab keine Angst. Entwirf dir ein Leben und handle danach. Finanzielle Fragen sind dabei nicht unerheblich, denn sie eröffnen oder verschließen Möglichkeiten. Hab Vertrauen und gehe mutig weiter. Wenn es die "falsche" Straße sein sollte, in die du einbiegst, wird dir dein Leben eine Rückmeldung geben. Dein Gewissen wird raunen, der Alltag wird sich in dieser oder jener Weise präsentieren, aber die Motive werden bleiben und ihren Tribut unerbittlich fordern.

Du bist Herr in deinem Haus und der "Bestimmer", wie es in Kindertagen hieß. Das Leben ist gnädig und bietet sich an - du wirst das Richtige tun, der nächste Schritt ist schon da, öffne die Augen und gehe mutig weiter.

2 Kommentare:

  1. Ja - gehe mutig weiter. "Wende dein Gesicht der Sonne zu dann fallen die Schatten hinter dich".
    Ursula

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  2. Genau die Worte, die ich gerade gebraucht habe! Wirklich sehr treffend.

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