Samstag, 13. November 2010

Santorini. Mein Beginn - damals

Jelle, du hast auf deinem Weblog (www.jellevandermeulen.blogspot.com) eine Debatte eröffnet. Über die Elias-Initiativgemeinschaft. Und über Adventura. Und da ich an den beiden Vorhaben beteiligt war, und jetzt so viele Erinnerungen wach werden, möchte ich von davon erzählen. Wie es war. Mein Einstieg. Damals.

Ich war jung - sehr jung. Und hatte drei kleine Kinder - echt kleine. In jenen Jahren - damals. 1993 sprach ich an irgendeinem Abend mit einer Freundin über neue Bücher in der anthroposophischen Szene und sie zeigte mir, schon im Flur stehend, noch ein dunkelrotes Büchlein. Dazu sagte sie: „Das ist das Neueste jetzt, gerade herausgekommen. Sehr bedeutsam. Von dem alten Holländer, der eben gestorben ist. Lievegoed heißt er. Den kennst du wahrscheinlich nicht. Und das Buch interessiert dich vermutlich auch nicht. Ist nichts für dich.“

Aber ich nahm es mit. Das Buch. Und verschlang es am nächsten Nachmittag. Noch heute sehe ich mich in meinem damaligen Wohnzimmer auf einem alten Sessel sitzen und lesen. Ich vergaß (fast) alles um mich herum. Die Kinder spielten. Ich machte ihnen kurz etwas zu essen. Sie spielten weiter - ich las weiter. Ich las das Buch in einem Rutsch. Und ich war sehr berührt. In meinem Inneren bewegte sich etwas, da war etwas angekommen.

Sieben Jahre hatte ich mich gänzlich meiner Familie gewidmet. Gelernt, wie man Weihnachten feiern kann, mich damit beschäftigt was Kinder wollen und brauchen, habe ständig auf irgendwelchen Spielplätzen gesessen oder in Wildgehegen gestanden, wo es galt scheuen Rehen Vogelmire hinzuhalten. Den halben Tag verbrachte ich in der Küche, die zweite Hälfte hatte ich Kinder auf dem Schoß, im Arm, fütterte, wickelte. Abends wurde genäht, gestrickt, Marmelade gekocht… All das eben, was Vollzeit-Mütter so tun können.

Das Buch „Über die Rettung der Seele“ von Bernard Lievegoed bezog mich als Leserin ein. Ich war kein Zuschauer mehr, sondern Mit-Akteur. Mitten in meinem Wohnzimmer. Mit meinen kleinen Kindern um mich herum. Ich wurde beteiligt, nein, ich war schon immer beteiligt. Nicht weniger als im Weltganzen. Der Inhalt des Buches eröffnete mir einen neuen Blick. Auf mich und mein eigenes Leben, auf meine Mitmenschen und das Weltgeschehen. Sinn wurde spürbar, von der Vergangenheit, durch die Gegenwart und bis in die Zukunft hinein.

Ein paar Monate gingen ins Land. Mittlerweile zog ich um, aufs Land. Und wusste innerlich überhaupt nicht mehr, wo mein Platz auf dieser Welt eigentlich war. In der Zeitschrift info3 sah ich eine Anzeige. „Seminar auf Santorini, Griechenland. „Über die Rettung der Seele“ mit Jelle van der Meulen.“ In meiner Situation war es völlig absurd, für eine Woche nach Griechenland zu fliegen. Und ich versuchte die Sache zu vergessen.

Einige Wochen später sah ich eine zweite Anzeige. Das Seminar sollte wiederholt werden. Es hatte so viel Anklang gefunden. Und wir hatten gerade eine Steuerrückzahlung erhalten. Ich meldete mich an. Direkt. Völlig verrückt. Und ich flog. Nach Santorini. Ich war gespannt. Und erwartete ein klassisch-anthroposophisches Seminar. Zu den Sitzungen nahm ich meinen Text mit. Aber den brauchten wir nicht. Und meine Furcht, nicht mitreden zu können löste sich in Luft auf.

Nein. Da wurde ganz anders gearbeitet, als ich das aus anthroposophischen Kreisen kannte. Wir sprachen miteinander. Die Menschen, die da waren, schauten sich in die Augen. Und es ging um die dunklen Seiten des Lebens. Um eigene Erfahrungen. Um Enttäuschungen, Schmerzen, Wunden – es ging um das Böse. Aber auch um Wünsche und Hoffnungen. Darum, wie wir im Leben stehen. Gebannt hörte ich zu. Noch heute sehe ich uns dort sitzen. Äußerlich habe ich mich sehr zurückgehalten. Aber innerlich entzündete sich ein Licht in mir.

Kurze Zeit später, als der Verein gegründet war (die Elias-Initiativgemeinschaft), stieß ich unumwunden mit in die Mitte des Kreises. Stellte mich zur Verfügung. Wollte mitarbeiten. Und wurde gefragt, ob ich in der Redaktion des Rundbriefes mitarbeiten könne, und vielleicht das Layout und den Versand übernehmen würde. Noch nie hatte ich dergleichen getan. Und ich stieg ein. Der Computer fügte sich mir. Die zu schreibenden Worte ließen ein wenig länger auf sich warten.

Es entstand eine Zusammenarbeit zwischen Flensburg und Lyon, Amsterdam und Kassel. Telekommunikation macht vieles möglich. Zusätzlich zu den Tausenden von Kilometern, die wir alle auf Deutschlands Autobahnen verbracht haben. Der Elias-Initiativgemeinschaft und Adventura, mit all den Menschen, die damals mitgemacht haben, verdanke ich meinen Einstieg ins gesellschaftliche Leben, ohne mich selbst dabei zu verlieren.

Viel ist in all den Jahren passiert. Ich habe die komplette Geschichte der Elias-Initiativgemeinschaft und Adventuras mitgemacht. Sie bietet Stoff für mehrere Romane. Und ich bin noch immer dabei. Irgendwie. Und irgendwo. Verletzungen sind entstanden, Wunden haben gebrannt und Köpfe geraucht. Vieles war möglich. Und irgendwann wurde vieles unmöglich. Ein Schweigen entstand, Stille breitete sich aus. Gescheitert sind die Vorhaben beide. Irgendwie. Und das war sehr schmerzvoll. Missen möchte ich sie in meinem Leben aber nicht. Niemals.

Der Impuls des Buches „Über die Rettung der Seele“ lebt. Die wichtigsten Freundschaften in meinem Leben sind damals entstanden, durch die Menschen, die ich bei Elias und Adventura getroffen habe, die mitgemacht haben. In meinem Leben bot sich nach dem Elias- und Adventura-Scherbenhaufen NALM an. Dort arbeite ich seitdem weiter. Am Aufbau einer Kultur des Herzens.

3 Kommentare:

  1. Liebe Sophie, danke für deine Beschreibung. Am Aufbau einer Kultur des Herzens... Herzlich, Jelle van der Meulen

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  2. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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  3. Schöne Geschichte auch wenn es schmerzhaft ist. Das Schicksal klingt immer 3 mal sagt man. Alles ist nicht umsonst. Ist das Neue schon da ?
    Josiane

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