Sonntag, 5. Oktober 2014

Gedanken aus der Stille. Zum Verhältnis von Schreibenden und Lesenden


Der Morgen ist mit sanfter Stille überzogen, wie ein Geburtstagskuchen mit Schokolade und Marzipanrosetten. Draußen liegt klammer Nebel auf Blättern und Wegen. Leuchtende Tautropfen überall. Selbst das Spinnennetz ist von schwerer Feuchtigkeit durchdrungen und funkelt damit in die Welt. Das Licht verbreitet sich nur schüchtern und zaghaft. Die Welt ist in nasse Watte gehüllt, damit die roten Hagebutten gesehen werden.

Drinnen brennt im Ofen das erste Feuer, Wärme durchzieht die Räume und lädt dazu ein sich der Stille zu ergeben. Wenn alles äußere in den vier Wänden schweigt, CD-Player, Küchengeräte, Menschen und Telefone, dann können die stilleren, stummen Dinge anfangen zu erzählen. Auch in ihnen wohnen Geschichten, Wünsche und Hoffnungen die ihre Daseinsberechtigung haben.

Die Rose, ein prächtiges und doch zierliches Exemplar bringt Grüße aus der anderen Welt. Sie steht im irdischen Garten eines Verstorbenen, der von Lebenden weiter gepflegt wird. Sie hat mein Herz erreicht. Dort zeigt sie einmal mehr, mit ihrem angenehmen Duft, den zarten Blättern und der deutlichen Farbe, was es heißt wortlos zu kommunizieren. Sie spendet Trost und sagt: Es gibt das Wahre, das Schöne und das Gute.

Der Laptop stellt sich geduldig zu Verfügung, auch er ein ruhiger Geselle - aber ganz anders geartet: tot. Bei der richtigen Tastenkombination ist er bereit alles für mich zu tun, ein Befehlsempfänger ohne Widerrede. Jede Order nimmt er auf, er urteilt nicht. Nein, kalt und gefühllos macht er alles, was ich von ihm fordere. Eine Errungenschaft Ahrimans, der geknechtet wird und knechtet. Seine Geschichte bleibt fahl und dennoch ermöglicht er alles.

Das Internet hat sich zwischen die Menschen geschoben. Warme Worte erscheinen auf kalten Flächen. Die Wege zwischen Herz und Herz können mit der Straßenbahn, zu Fuß oder über das Internet beschritten werden. Das Gefühl der Nähe nur virtuell? Fluch und Segen - und immer die Frage nach Sein oder Schein. Obwohl hinter jedem Wort im Internet ein Mensch steht, ist es gerade das, was nicht erlebbar ist.

Die Stille an diesem Morgen gebiert Worte die einen Landeplatz suchen, die ankommen wollen. Vom Schreiben über das Lesen in ein Gespräch. Wo sind die Leser, die in einen Diskurs mit dem Text treten? Die sich anerkennend oder ablehnend zeigen, die in einen Dialog treten und damit den Monolog aus seiner Isolation befreien. Mitschwingen: geben und nehmen, sprechen und schweigen und vor allem: miteinander tanzen.

Das innere Feuer verglüht (Rosen verwelken sinnlos und Laptops stehen unbenutzt da), wenn Schreibende nicht wissen, wo und vor allem wie ihre Texte landen, ankommen, vorbeifliegen, anecken oder ins Abseits geraten. Jedes geschriebene Wort, das nicht gelesen wird, ist ein verlorenes Wort und verdammt ist es dann, wenn nichts damit passiert (die Welt nicht einen neuen Anlauf nimmt). Denn, Schreibende brauchen die Resonanz von Lesern. Brauchen die Leser auch Schreibende?

Ich suche Anknüpfungspunkte für ein Gespräch, um neue Wege und Formen als Schreibende zu finden.

1 Kommentar:

  1. Danke für die Geschichte von Ahriman. Nicht nur was er mit uns macht aber was er für uns macht. Vergessen wir das nicht zu oft ?
    Josiane

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