Samstag, 26. April 2014

Replik auf Ostern. Tod und Auferstehung in Natur und Kunst


Die Ausstellung „River of Fundament“ von Matthew Barney im Haus der Kunst in München konfrontiert mit Materie, Stein, Asche, Schlacke und Kunstharz, sie verstört. Obwohl es um Leben und Reinkarnation geht, ist nur der gefrorene Tod anwesend. Das Lebendige pulsiert lediglich in den Menschen, die durch die Räume gehen und versuchen eine Verbindung aufzubauen. Aber die kalten Ausstellungsstücke bleiben fremd und hart. Das sich reinkarnierende Auto hat in der Ausstellung einen göttlichen Status erreicht. Der Mensch befindet sich in einer unwirtlichen Welt – die Kunst als Symbol des entmystifizierten Lebens - über das Auto.

Der Wecker lässt am folgenden Morgen den Vorhang vor meinem Traum abrupt fallen. Ich kann die Bühne nicht mehr sehen und nicht mehr hören, welche Worte und Klänge von dort kommen. Mit einem Mal ist meine Aufmerksamkeit in meinem unmittelbaren Umraum, bei mir, und nur noch bei mir. Der Vorhang trennt Welten. Der Wecker ist ein scharfes Schwert. Ich schlafe und träume nicht mehr, sondern bin wach und durcheinander. Die Erinnerung kommt schnell. Es ist 4.45 Uhr. Um 5.00 Uhr soll es losgehen. Auf die schweigende Osterwanderung zur Quelle. Ich ziehe mich an, putze mir die Zähne und trinke ein Glas Wasser. Die anderen stehen schon draußen. Es geht los.

Die Welt dämmert, der Himmel ist noch grau. Die ersten Vögel zwitschern, Büsche und Bäume stehen dunkel gegen den Horizont. Die Welt der Farben schlummert noch – alles sieht aus wie ein altes Schwarz-Weiß-Foto. Tautropfen haben sich verteilt, die Erde ist feucht aber warm. Zu dem Vogelgezwitscher kommt das Rauschen des Flusses hinzu. Für ihn gibt es weder Tag noch Nacht, er ist immer unterwegs, ständig in Auffuhr und doch beruhigt er, denn Trotz seiner Bewegung bietet er Halt, Beständigkeit und gleichzeitig eine erfrischende Erneuerung. Der Weg führt gegen den Strom, immer am Ufer entlang. Stille und Bewegung durchdringen sich.

Ich laufe und vergrabe meine Hände in meiner Manteltasche. Kehre innerlich in die Nacht zurück, zu den Erlebnissen des davorliegenden Abends. Die Katholiken begehen in der Nacht vor Ostern in ihrem Gottesdienst ein Taufritual. Früher wurde nur in dieser Nacht getauft. Zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang, zwischen dem Tod Christi und der Auferstehung. Ich sitze unter ihnen. Gehöre aber nicht dazu. Ich wurde nicht getauft. Der Klagegesang um die verlorene Stadt Jerusalem des Jeremias durchdringt mein Herz. Die Stille in der Kirche am Abend ist eine andere als die in der freien Natur am Ostermorgen. Dennoch gibt das Christentum auch in der Dunkelheit Hoffnung.

So wie die Kerzen den Innenraum der Kirche in der Nacht langsam immer heller erleuchten lassen, finden jetzt am frühen Morgen die Sonnenstrahlen den Weg über den Horizont. Das Licht sucht einen Durchschlupf durch Blätter, Stämme und Gebüsch, es dehnt sich aus. Das Grau der Nacht transformiert sich. Baumstämme erscheinen in verschiedenen Braunnuancen, Blätter in Grün, zarte Blüten erheben sanft ihre Köpfe, das Sonnenlicht lässt die Welt in einem goldenen Glanz erscheinen. Die Quelle erneuert, erfrischt und strebt ihrem Ziel, dem Himmel zu.

Die Natur nimmt auf und beschenkt, sachte rollen die Tränen. Im Lehnbachhaus sehe ich am Nachmittag die Bilder des „Blauen Reiters“ von Kandinsky, Macke, u.a. Warme Farben, Formen des Lebendigen, Freude, Intensität und Lebenslust werden sichtbar. Die Seele gerät in Schwingung, sie fängt an innerlich zu tanzen und zu jubilieren. Auch der Mensch ist dazu fähig, Träume nach außen zu setzen, aus der Dunkelheit ins Licht zu treten, kulturschaffend der Kreativität der Natur die Stirn zu bieten. Aus der schwarz-weißen Welt wird eine farbige, in der sich das Leben feiert, so lange es da ist. Ohne Schatten kein Licht: Ostern - Tod und Auferstehung, jedes Jahr aufs Neue.

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