...aber die Sommersonnenwende liegt bereits hinter uns. Es geht auf den Herbst und Winter zu. Dabei ist es noch gar nicht so richtig Sommer geworden oder gewesen. Tageweise konnten wir uns der Natur übergeben, aber die große, lange und breite Wärme fehlt noch immer. Die Natur ist grün, der Himmel verhangen, es regnet leicht und spritzig.
Als ich dich treffe und frage, wie es dir geht, bricht sich der innere Tumult Bahn. Du nennst es Übergangszeit, hoffst, dass sie vergeht, und dann öffnet sich das Tor, offensichtlich ungeplant: Du sprichst und erzählst. Berichtest von Begebenheiten, gibst wieder was dieser und jener gesagt hat, beschreibst, wie er dabei ausgesehen hat, um welche Uhrzeit sich diese Szene abgespielt hat und jene, was vorsaugegangen ist und was danach passierte, Namen und Motive poltern über den Tisch, mir fremde Menschen werden fragmentarisch sichtbar, aber du verschwimmst.
Ein Konglomerat von Verstrickungen, ungeklärten und unerfreulichen Begebenheiten, ich finde mich mitten in deinem Beziehungsnetz wieder. Kenne mich nur vage aus, spüre aber die Spannungen und Verletzungen, die Fragen und Abhängigkeiten. Ich höre zu, versuche zu verstehen, lasse den Wunsch zu verstehen wieder los, bin einfach da, höre, schaue und bin ein bisschen ratlos. Du bist drin und bleibst drin, ich sehe das und kann dich da nicht rausholen.
Die Sonne kommt hervor. Der nasse Boden dampft. Und die Menschen erscheinen unmittelbar auf dem Marktplatz, die Eisdielen öffnen ihre Fenster für den Straßenverkauf wieder, Bänke und Tische werden trockengewischt, die Erleichterung über den dumpfen Sommernachmittag ist spürbar. Die Kirchturmglocke schlägt vier Mal, auch Familien mit Kindern sind zu sehen, der Glasharfinist schiebt sein Wägelchen in die Mitte des Platzes und beginnt zu spielen.
Und dann rufst du an. Beginnst mit einer unverfänglichen Frage, die die geschäftliche Welt betrifft. Aber ich höre es sofort, es ist mehr dahinter. Erst klären wir das, was an der Oberfläche zu verhandeln ist, ich gebe dir Infos, Tipps, mache Vorschläge wie die Sache zu lösen sei. Und dann beginnt die Leere. Als ich frage, was los sei, sagst du, dass es das große Loch sei, dem du zu entschwinden trachtest, die gähnende Leere, die Schwere, Idee und Wirklichkeit trennt ein sauberer Schnitt mit einem scharfen Messer.
Und du hältst es nicht aus, dass alles so lange dauert, so kompliziert ist, Ideale so ungreifbar sind, verachtest dich selber für deine Untätigkeit, willst etwas von anderen, denkst es sei nutzlos, gehst lieber schlafen, oder einen Film anschauen, trinkst etwas, rauchst, die Zeit vergeht, ohne, dass die großen Taten getan werden, lähmende Schwermut macht sich breit, es bringt alles nichts, die Mühe ist vergeblich, der Apparat zu schwerfällig, du hast keinen Bock mehr.
Ich versuche zu trösten, Mut zu machen, um Geduld zu bitten, dranzubleiben, nicht aufzugeben. In den Wassertropfen, die der Springbrunnen fallen lässt, spiegeln sich die Farben des Regenbogens. …und dabei bräuchte ich eigentlich selber jemanden, dem ich mal erzählen könnte, was mich so beschäftigt, womit ich ringe, wonach ich mich sehne. Ich bleibe auf der Bank sitzen, esse ein Eis und beginne zu schreiben.
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