Samstag, 2. Februar 2013

Die Dinge groß sehen (II): Der ruhige Mann mit dem Überblick


Er steht in der Küche und liest das Rezept. Die Kinder spielen drüben, immer wieder einmal wirft er einen Blick zu ihnen. Zuerst muss das Fleisch eingelegt werden. Er breitet die Zutaten vor sich aus, holt Töpfe, Messer und Schüsseln. Er weiß, dass er mehrere Dinge gleichzeitig zu machen hat.

Aber er lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. Es gab einen Moment in seinem Leben, als er eine Entscheidung getroffen hat. Und der ist er treu. Alles andere würde ihn verwirren – das hat er lange genug mitgemacht. Die Welt um ihn herum ist in Bewegung, hier eine Anfrage, dort eine Notwendigkeit, das Telefon klingelt und dort muss er auch noch hin – eins nach dem anderen.

Nun kommen die Zwiebeln dran, liebevoll schält er sie und schneidet sie in winzige Würfel. Mit dem neuen Messer geht das gut. Neben dem Brettchen mit den Zwiebeln legt er die Peperoni- und Paprikaschoten bereit, gelbe, rote, grüne. Auch die Nüsse müssen noch gehackt und die Zitronenschale abgeschabt werden.

Drei Welten greifen ineinander. Er befindet sich inmitten der großen Welt, ja, die Hauptstadt sollte es sein. Das hat er schon vor vielen Jahren entschieden. Sein Leben hat erst dort begonnen. Er kennt sich aus, auch wenn die Stadt von Baustellen und Umleitungen durchzogen ist, er findet den Weg – man muss auch nicht über alles reden.

Wenn ich ihn frage wie es ihm geht, dann wiederholt er meine Frage mit einem Blick, als wenn er sie zum ersten Mal in seinem Leben hört. Wie es ihm geht? Gut, natürlich. Ja, es geht ihm gut. Warum auch nicht? Er hat sich sein Leben eingerichtet. Man muss sich doch nicht so viele Fragen stellen, oder? Er weiß, wer er ist und was er tut. Und er weiß, wer er nicht ist und was er nicht tut. Ganz einfach…

Für die Soße schneidet er Petersilie klein, holt Sherry aus der kleinen Kammer und nimmt die Sahne aus dem Kühlschrank. Früher hat er gerne Musik gehört, aber das passt jetzt nicht. Gerade fangen die Kinder an zu streiten. Er schlichtet, tröstet, fühlt sich ein, beruhigt… Das klappt gut. Mit der kleinen Welt, die er sich geschaffen hat, kommt er gut zurecht, Tag für Tag. Schließlich finden sich immer Lösungen.

Die Himbeeren liegen auf dem Balkon, sie sollen nicht mehr gefroren sein, wenn sie mit der Creme vermischt werden. Die Kinder werden etwas anderes zum Nachtisch bekommen. Zwischen der Welt der Kleinen und der Welt der Großen gibt es einen Unterschied – auch wenn sie zusammengehören.

Und dann gibt es da noch seine Welt. Auch ihm ist die Zigarette eine Hilfe. Die Schachtel liegt ganz oben auf dem Kühlschrank, dort, wo sie niemand sieht und niemand dran kommt. Er geht auf den Balkon. Nur einen Moment. Und er raucht und freut sich darüber, dass er so lebt, wie er lebt. Ein paar Minuten nimmt er sich, um aus der Zeit zu treten. Es war nicht immer alles so, wie es jetzt ist.

Was er kann ist zuhören. Offen, still und staunend. Und dieses Zuhören führt oft dazu, dass es keiner Worte mehr bedarf. Wenn sie nach Hause kommt soll das Essen fertig sein. Die Kinder im Schlafanzug, das Abendessen kann beginnen. Die Kinder essen die Nudeln pur. Er überlegt, was es zu erzählen gibt, eigentlich ist gar nicht so viel passiert. Schön war es, ruhig, normal… Man muss sich nicht so viele Gedanken machen. Das Leben ist gnädig mit ihm – es geht ihm gut und das genießt er bedachtsam.

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