Samstag, 31. Dezember 2011

Weihnachtsfrage VIII

Was hat das vergehende Jahr dir gebracht, was hast du ihm angeboten?

Freitag, 30. Dezember 2011

Weihnachtsfrage VII

Was siehst du in deinen Mitmenschen um dich herum, was sie selber nicht wissen?

Donnerstag, 29. Dezember 2011

Weihnachtsfrage VI

Was möchtest du in dir für die Welt keimen lassen?

Mittwoch, 28. Dezember 2011

Weihnachtsfrage V

Wie sieht deine Welt heute innerlich, wie äußerlich aus?

Dienstag, 27. Dezember 2011

Weihnachtsfrage IV

Was hat dich erwartet, was hast du angetroffen?

Montag, 26. Dezember 2011

Sonntag, 25. Dezember 2011

Weihnachtsfrage II

Was siehst du im Licht der Kerzen, wenn du durch die Tür gehst?

Samstag, 24. Dezember 2011

Weihnachtsfrage I

Mit welchem Gepäck auf dem Rücken stehst du vor der weihnachtlichen Tür, die sich zu öffnen beginnt?

Freitag, 23. Dezember 2011

„Nirgends, Geliebte, wird Welt sein, als innen. Unser Leben geht hin mit Verwandlung.“

Draußen ist die Welt dunkel und kalt. Zwischen dem Schnee auf den Feldern und den kleinen Sternen am nächtlichen Himmel müssen wir die so dringend benötigte Wärme in diesen Wintertagen innerlich erzeugen, eine kleine Flamme entzünden, damit wir als Menschen auf der Erde die Orientierung nicht verlieren.

Morgen ist der 24. Dezember. Die vierundzwanzig Erwartungstage, die Adventszeit liegt dann hinter uns. Das, was aus der Zukunft kommt, nimmt unsichtbar Gestalt an: DER Tag beginnt. Die Stunden werden vergehen und am Abend wird es so weit sein: die Weihnachtszeit beginnt! Die erste heilige Nacht entfaltet sich in der Dunkelheit. Und es folgen zwölf weitere „heilige Nächte“. Dabei wird es von Nacht zu Nacht langsam wieder etwas heller.

Weihnachten, das Fest der Liebe. Was bedeutet das? Ein Kind wurde geboren und veränderte die Welt. Und jedes Jahr können wir aufs Neue daran teilhaben: Können DEM Kind in uns zur Geburt verhelfen, können etwas beginnen, anfangen, entstehen lassen, um es, gegebenenfalls, auch wieder enden und sterben zu lassen.

Geburt und Tod liegen nah beieinander und sind für mein Alltagsbewusstsein kaum zu greifen, geschweige denn zu verstehen. Was geschah vor unserer Geburt, was geschieht nach unserem Tod? Dem Einen von uns sind lange Jahre auf Erden gegönnt, dem Anderen nur wenige. Wie lange die „Gegenwart“ unseres Lebens dauert, ist uns unbekannt. Jahr für Jahr aber wird es immer wieder Weihnachten.

Wenn zur Weihnachtszeit äußerlich „gejubelt“ wird, wenn Chöre erklingen, Geschenke verschenkt werden, ein großer Speiseplan gewählt wird, dann spielt sich das alles in der äußeren Welt ab. Was aber geschieht im Inneren, in unserem Herzen, das so treu klopft und klopft und manchmal aus dem Rhythmus kommt? Dieses zarte Klopfen ist es, das zur Weihnachtszeit von innen nach außen und von außen nach innen drängt.

Die Welt hält in den Weihnachtstagen inne und es entsteht Raum und Zeit, diesem inneren Klopfen nachzugehen. Sich nicht weiter durch äußere Gegebenheiten durch die Tage schicken zu lassen und Stunden um Stunden mit „Erledigungen“ vergehen zu lassen. Die Weihnachtstage laden uns ein still zu werden. Nach innen zu blicken. Uns zu verwandeln – so wie es schon Rilke in seiner 7. Duineser Elegie sagte.

Ich werde ab morgen wieder Fragen stellen. Weihnachtsfragen. So wie im letzten Jahr. Fragen, die aus der Stille kommen und in die Stille gehen. Fragen, die die Zukunft einladen. Das geschriebene Wort ermöglicht uns die äußere Stille. Weder Fragen noch Antworten müssen äußerlich erklingen.

Es werden Fragen sein, die sich an den inneren Stern in uns wenden, ihn zum Erleuchten einladen. Und hiermit möchte ich wieder alle Leserinnen und Leser herzlich dazu einladen, sich an dem Weihnachtsblog in jeglicher Form über Kommentare zu beteiligen und ihm so zur Geburt zu verhelfen.

Fragen gelangen dann zu ihrer Bestimmung, wenn sie bewegt und betastet werden, neu angeschaut und gewendet werden. So wie Texte ohne Leser ein Schattendasein führen, brauchen Fragen einen Ort, an dem sie sich ausbreiten und transformieren dürfen.

Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich eine innige Weihnachtszeit mit Fragen und vielleicht auch Antworten. Ruhe, Besinnlichkeit und Innerlichkeit für das Neue in uns, damit die Sterne nicht nur am Himmel leuchten, sondern auch in unseren Herzen und unter der Erde.
Sophie Pannitschka

Sonntag, 18. Dezember 2011

Aristoteliker. Das Detail

Und seit einer Woche schaue ich mir die Welt aus doppelter Perspektive an – so gut das einer Platonikerin gelingt… Wenn sie genau hinschauen muss, wenn sie zwei- oder dreimal so lange vor einem Kunstwerk stehen bleibt, wenn sie ins Detail geht. Wenn sie nicht von oben, sondern von unten schaut. Wenn sie nicht nach den Sternen, sondern nach den Dingen greift. Die Aristotelikerin in mir spricht eine andere Sprache. Und es ist schon wahr, die Platonikerin ist die arrogantere und überheblichere der beiden.

Und weil die Welt aus der Sicht von Platonikern und Aristotelikern so ganz anders aussieht, ist kaum vorstellbar, dass die beiden über die gleichen Dinge reden. Ja, die Dinge. Was für den Platoniker groß und weit ist, ist für den Aristoteliker klein und fein. Er kann „die Dinge“ in sich aufnehmen und gleichzeitig „zum Ding“ werden. So wie Walter Benjamin, der die kleinen und feinen Dinge in seinem Alltag sprechen lassen konnte. Da wird von einer Nähspule berichtet oder von einem Ornament an einer Haustür…

Aristoteliker sind im positivsten Sinne kurzsichtig, sie nehmen Farben, Formen, Gerüche und kleine Nuancen wahr, während der Platoniker in die Ferne schweift. Da wo er die Dinge mit seinen Gedanken umarmen kann, ist der Aristoteliker tatsächlich vor Ort. Das visuelle, auditive, haptische Erlebnis zählt für ihn. Und das im Hier und Jetzt. Und zwar nur im Hier und Jetzt. Die Unmittelbarkeit, die einzelnen Momente werden geheiligt, Zeit und Raum werden ihm zum Tempel – und wenn es nur für Minuten ist.

Neue Blickwinkel werden in vertrackten Situationen von Aristotelikern eingebracht. Sie vermögen es, sich drei Zentimeter weiter nach links oder rechts zu bewegen und von dort zu schauen. (So etwas hält ein Platoniker nicht einmal für denkbar, wenn er sich bewegt, dann gleich Hunderte von Metern…) Und weil die Aristoteliker so unbefangen aufs Detail schauen, sind sie auch die besten Chirurgen. Materie ist ihnen vertraut, sie nehmen sie unbeschwert hin – schauen so, als wenn sie etwas zum ersten Mal sehen…

Das Schicksalsnetzwerk des Aristotelikers ist genauso groß wie das des Platonikers. Die Bedeutung der Beziehungen ist aber eine ganz andere. Wo der Platoniker nach einem langen Leben fünf Namen nennt, kommt der Aristoteliker kaum an ein Ende seiner Aufzählung. Für ihn gelten andere Gesetze. Er hat unendlich viele Freunde – und jeden für einen anderen Bereich seines Lebens. Für den Aristoteliker hat jeder Freund einen eigenen Ort in ihm, eine spezielle Bedeutung, einen besonderen Anknüpfungspunkt.

Es scheint mir relativ einfach zu sein, den Unterschied zwischen Platonikern und Aristotelikern durch ihre scheinbare Gegensätzlichkeit sichtbar machen. Im Grunde genommen geht es ihnen aber um die gleiche Sache. Sie wollen in Raum und Zeit leben und zwischen Geburt und Tod die Erde durchstreifen, ergreifen und vergeistigen. Der Platoniker trachtet dabei danach, seine große Vergangenheit in die Zukunft zu transportieren. Und der Aristoteliker versucht die große Zukunft schon aus der Vergangenheit heraus zu beschreiben.

Die beiden treffen im Hier und Jetzt aufeinander – und nur dort. Wenn dieses Treffen nicht am Abgrund geschieht, dann gehen sie locker aneinander vorbei. Wenn sie sich aber an der Kante treffen, dann wird das Leben für beide neu, anders, aufregend. Es kann unerträglich werden, weil sie einander nicht trauen. Aber es kann auch ein Fest werden, denn sie sind so unterschiedlich wie nur etwas und brauchen einander darum so sehr, um dem materiellen Dasein etwas abzugewinnen.

Puh… geschafft. Ich muss gestehen, es ist nicht leicht, aus der Perspektive eines Aristotelikers zu schreiben, ja fast nicht möglich. Für eine weitsichtige Platonikerin ist das Detail ein Stolperstein, über den sie leicht und locker und schnell hinweggehen möchte, bevor sie den blauen Fleck am Fuß genauer untersucht und die Äderchen zählt, die nun hervortreten. Vielleicht können Platoniker tatsächlich etwas lernen, wenn sie mit einer aristotelischen Brille durch den Tag wandern, das Angebot muss allerdings stimmen, sonst schaut sich der Platoniker nach einer größeren Idee um.

Samstag, 10. Dezember 2011

Platoniker. Ohne den Himmel läuft nichts

Und weil der Platoniker manches nicht mitkriegt, was der Aristoteliker so macht, kommt er manchmal erst nach ihm zum Ort des Geschehens.

Und doch haben Platoniker den Zeitstrom gepachtet – für die Ewigkeit, ohne Kündigungsrecht. Ihnen gehören Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – so einfach ist das. Platoniker waren schon immer da und werden auch so lange bleiben bis kein Fünkchen falscher Hoffnung mehr bleibt. Das ewige Leben trägt sie, die Götter sind mitten unter ihnen und hauchen den Platonikern den ewigen Odem ein.

Vom irdischen Leben verstehen sie wenig. Sie sind nicht daran interessiert ein Elefantenskelett zu rekonstruieren. Sie suchen eher den Sternenstaub in zerbrochenen Schüsseln – die Nabelschnur nach oben muss sein. Jegliche Konstruktion auf Erden braucht eine Idee im Himmel. Und so steht es auch mit jeder SMS die ein Platoniker schreibt, sie handelt von grundlegenden, allumspannenden Wahrheiten.

Der Auftrag der Platoniker lautet, das Wesen der Dinge zu erhalten, ja überhaupt das Wesen sichtbar zu machen und ihm zu dienen – auf Erden. Und das ist ihnen schon lästig. Denn es geht dabei nicht um Kleinigkeiten - Tonscherben, Haarschnipsel oder deutsche Grammatik. Nein, die Wesenhaftigkeit im Großen zählt und sie ist nur in der übergeordneten Geistigkeit zu finden. Das große Wort ist Leben und der Tod ist nur durch das ewige Leben zu ertragen, ja nur dann zu denken, wenn der Geist von ihm Besitz ergreift. Ohne den himmlischen Glanz sieht jeder Stein grau aus.

Wenn ein Platoniker Freundschaft geschlossen hat, dann hat er den Menschen so in sein Herz geschlossen, dass ihn nur ein Weltuntergang daran hindern könnte diese Freundschaft zu preisen. Was ihn vernichtet sind Bemerkungen, die sein Wesen treffen. Kleine, scharfe, spitze Pfeile. Diese Verletzungen sind dann so groß, dass auch die Götter nichts mehr ausrichten können. Platoniker können ziemlich halt- und trostlos verzweifelt sein. Engherzigkeit ist etwas, mit dem sie nicht umgehen können. Sie lieben die Weite der Freundschaft und das imaginäre Band, das Menschen verbindet.

Auf die Versicherung seiner Freundschaften ist der Platoniker allerdings ständig angewiesen. Da er sich selbst nicht traut (wer kann das schon?), braucht er das Votum der anderen – von denen er besser denkt als von sich selbst. Aber eine treue Seele ist er, wenn er einmal eine Freundschaft geschlossen hat, dann wird man einen Platoniker nicht mehr so schnell los. Hoffnungskräfte tragen ihn – fast bis ans Ende der Welt. Ein Platoniker ist zwar menschlich vernetzt, aber doch ein einsamer Geselle, der den gesamten Kosmos auf seinen Schultern zu tragen vermag.

Über irdische Katastrophen geht er locker hinweg, als handle es sich um ein altes Brötchen. Sinn, Ziel und Größe zählen für ihn – keine Kisten mit Tonscherben. Das Netz der Unendlichkeit, Sinnbild des nächtlichen Sternenhimmels, ist ihm näher als mancher Bettgeselle. Das physische Leben interessiert den Platoniker nur insofern, als dass er Träger des Geistigen ist, des Weiten und Großen. Was zählt, sind die göttlichen Wahrheiten, die manch irdische Seele aufzunehmen vermag. Im Zweifel besteht das menschliche Ich aus einer Idee (was auch sonst?).

Was Platoniker lieben ist der große Wurf – die Ordnung im Universum, die sich im irdischen Leben in ein kreatives Chaos verwandelt. Systematik ist ihnen fremd (obwohl sie das Gegenteil von sich behaupten), akribische Rekonstruktion auch. Sie sind große Konstrukteure – vielleicht sogar Konstruktivisten – denn ohne Baumeister wird nichts geschaffen. Der Platoniker ist alt im Himmel und jung auf der Erde – im Zweifelsfalle zählt die Weisheit des Himmels, komme was wolle. Wenn ihm nach oben die Tür verschlossen ist - was durchaus vorkommt!!! - ist er verloren.

Denn er kann sich keinen eigenen Kosmos bauen, ihn höchstens mit Worten beschreiben, die Idee benennen. Das Große im Kleinen ja – das kann er sehen. Aber nicht umgekehrt: Das Kleine im Großen… da wird der Platoniker verlegen. Mit einer Narbe auf der Haut kann er nicht umgehen. Was er sucht ist aber gerade die Erdverbundenheit, denn er weiß, dass er nur hier Erfahrungen machen kann, auf Erden, in der Wiege der Menschheit. Eigentlich reichen ihm aber göttliche Gebote völlig aus, um einen einfachen Tag im 21. Jahrhundert zu überstehen.

Die Verlorenheit eines Platonikers findet Aufnahme im Herzen eines Aristotelikers – aber das scheint ein gefährliches und seltenes Spiel zu sein. Wenn sich die beiden am Abgrund treffen, wer sagt dann zuerst etwas? Wer traut sich? Was sprechen die beiden miteinander? Und wohin führt ihr Gespräch?

Sonntag, 4. Dezember 2011

Das innere Team. Im Advent auf dem Weg

Tag für Tag nähert sich Weihnachten, verschiedene Zeichen am Wegrand erzählen davon. Heute brennt die zweite Kerze auf meinem Küchentisch. Ein Stern ziert mein Fenster. Bei den Nachbarn agiert eine große Lichtershow im Garten. Der Himmel ist wolkenbehangen und grau, von himmlischer Seite scheint es im Moment keine sichtbaren Beiträge zu geben. So richte ich meine Aufmerksamkeit nach innen. Was erzählen die verschiedenen Stimmen in mir, mit welchen Sorgen und Nöten sind sie beschäftigt, wie bereiten sie sich auf Weihnachten vor?

Die Stille raunt mir zu: Übergib dich einem leisen Tag, folge zarten Klängen, höre, lausche, nimm die Ruhe und das Alleinsein an. Stille zeigt sich wie ein weites, unergründliches Meer. Klänge verhallen, Ahnungen verschwinden, aber der Herzschlag wird spürbar, jeder Gedanke wird von einer silbernen Spur begleitet, die den Rand zwischen mir und dir erkennbar macht. Stille ist weich und unerbittlich, übergib dich und schweige.

Die Leere versucht mich hingegen davon zu überzeugen, dass es nichts zu bedenken, zu bemerken, zu tun gäbe. Sie verdrängt die Fülle und breitet sich aus. Die Leere lässt das Gestern und das Morgen verschwinden, sie ist nur JETZT, JETZT und noch mal JETZT. Es gibt kein Hinten und kein Vorne, kein Oben und kein Unten. Die Leere ist wie eine Seifenblase, die plötzlich zerplatzen kann. Die Leere ist ungemütlich, aber sie lädt mich zum Innehalten, zur Besinnung ein. Sie fordert den Mut, mich dem Nichts anzuvertrauen und mich tragen zu lassen.

Aber mein Verantwortungsgefühl spricht hingegen von unerledigten Belangen. Es mahnt mich an dies und das zu denken, endlich verschiedene Vorhaben anzugehen, sie zu erledigen, hinter mich zu bringen. Und ich schreibe gedanklich eine saubere Liste, konzentriere mich auf das, was ich noch alles tun will, bevor die Welt zu Weihnachten inne hält. Bevor die Stille auch ins Außen schwappt, das Karussell langsamer fährt und der Raum groß wird, in dem das Innen zum Außen und das Außen zum Innen werden kann.

Das kleine Kerzenlicht an meiner Seite erzählt von großen Dingen - ganz bescheiden. Von Verwandlung und Transformation, von Materie und Geist. Von Licht in der Dunkelheit, von Wärme in der Kälte, von Zartheit in Gewaltigkeit. Es lädt mich ein, mich in ihm zu verlieren, und in dieser Verlorenheit Halt zu finden. Das Kerzenlicht spricht vom Hier und Jetzt in der Ewigkeit, vom All-Einen. Es ist beständig und treu.

Die wartenden Worte in meinem Herzen reihen sich auf, sie putzen sich und zeigen sich in neuem Glanz. Sie schenken mir Zeit und machen gleichzeitig auf sich aufmerksam. Sie wollen auftreten, beleuchtet werden und mitspielen, Gruppen bilden, Pirouetten drehen und Unerwartetes geschehen lassen. Diese Worte sind geduldig und drängend zugleich, sie sind alles und nichts, zerfallen in ihre Einzelteile, setzen sich neu zusammen und gruppieren sich lyrisch, prosaisch oder dramatisch.

Die Müdigkeit in mir mahnt zur Ruhe, sie ist schwer und flügellos. Sie will in die Dunkelheit und traumlos schlafen. Sich hingeben an die Ohnmacht, vertrauensvoll versinken – nichts denken, nichts fühlen, nichts tun. Die Müdigkeit will ihr Bewusstsein verlieren, will ein Ort für die Stille und die Transformation sein. Stellt sich zur Verfügung als kleiner Bruder des Todes, jede Nacht bietet sie sich an – nimmt mich auf und entlässt mich wieder.

Und die Sehnsucht in mir träumt von Erkenntnissen, Ereignissen und Taten. Sie will Sinn stiften, leicht sein, tanzen. Sie will von mir zu dir, von ihr zu ihm – sie lädt die Sterne des Nachthimmels ein, ein Netz zu bilden und Schutz zugeben. Sie will Wärme schenken und Herzen beflügeln, die Stille still sein lassen, die Leere leer, das Verantwortungsgefühl groß, das Kerzenlicht erhellend, die Worte sich immer wieder neu konstituierend, die Müdigkeit sich selbst überlassend.

Und ich könnte diesen Text fortführen und weitererzählen: Was erzählt mir meine Angst, was die Erwartung und Hoffnung? Wovon spricht die Liebe und wovon der Tod? Was meint das Kind und was die Mutter in mir, die Frau, Freundin und Berufstätige?

Die Adventszeit und ich ringen und tanzen mit den verschiedenen Stimmen, meinem inneren Team auf dem Weg zum Weihnachtsfest. Mal spricht die eine Stimme lauter, dann wieder die andere. Mal lässt sie sich überwältigen, mal bewältigt sie… Mal scheint das Leben wie in Gold getaucht und Engelchöre singen. Und dann wieder rufen Pflichten, notwendige Erledigungen und der Himmel ist grau, hüllt die Welt in Nebel und macht sie nass. Der Weg nach innen ist nicht minder turbulent wie die Welt im Äußeren.